Hannes Flesner war ein ziemlich universal veranlagter Mann. Er war, so viel weiß man sicher, Journalist, Texter, Produzent, so eine Art Liedermacher, PR-Mann. 1984 starb der Mann, den man neudeutsch einen ostfriesischen local hero nennen könnte. In seinem Nachlass finden sich so wegweisende Platten wie „Bottermelk Tango“ oder auch „Hannes Flesner erzählt Ostfriesen-Witze“. Außerdem textete er für ein paar Schlagergrößen der 70er Jahre.
So weit, so gut — man kann also verstehen, warum die heimische Emder Zeitung anlässlich zu Flesners 25. Todestag eine kleine Geschichte veröffentlichte, in der auf das Leben des großen Ostfriesen zurückgeblickt wird. Zwei Dinge in der Geschichte wusste man bisher aber noch nicht.
Flesner war offenbar auch ein guter Gewichtheber. 1959 scheiterte bei einem Wettkampf in Leer knapp an der Olympia-Qualifikation; ein Platz besser und er wäre 1960 in Rom dabei gewesen.
Und Flesner war daneben nicht nur ein begnadeter Ostfriesenwitzeerzähler, sondern auch lyrisch hochveranlagt. Die „Emder Zeitung“ bescheinigt ihm:
Seine Liedertexte schreibt er nun auch für internationale Stars wie Rod Stewart, Genesis, Black Sabbath, Jethro Tull, Traffic, Kraftwerk.
Unfassbar, oder? Journalist, Weltklasse-Gewichtheber und nebenher Songtexter für ein paar Weltstars. Einziges Problem: Weder war er Gewichtheber noch hat er auch nur eine Zeile für Genesis et al geschrieben.
Aber wie landet das dann im Blatt? Das ist schnell erklärt — es handelt sich um eine fatale Mischung aus Gedankenlosigkeit, schlechter Recherche und ideenlosem Abschreiben. Die Gewichthebergeschichte steht so bei „Wikipedia“; allerdings haben die Passage mit dem Wettkampf in Leer ein paar Jungs in einer Bierlaune dazugeschrieben, wahr ist davon kein Wort (dass der Eintrag immer noch unkorrigiert bei „Wikipedia“ steht, spricht indes natürlich auch nicht gerade für das Lexikon).
Und die „Genesis“-Geschichte? Auch schnell erklärt: Als PR-Mann bei diversen Plattenfirmen schrieb unser Ostfriese auch denen einen oder anderen Pressetext für die Bands. Von Songtexten war nie die Rede, außer bei der „Emder Zeitung“.
Nun könnte man dies schulterzuckend abtun als Unfähigkeit einer kleinen Lokalredaktion — wenn wir an dieser Stelle nicht gerade eine kleine Debatte über die Qualität des Lokaljournalismus hätten. Ich will nicht behaupten, dass diese Geschichte exemplarisch für den Lokaljournalismus ist, aber ich finde sie auch nicht untypisch. Nicht, weil man mal einen Fehler macht, sondern wie man sie macht. Man muss kein Sportexperte sein, um wenigstens stutzig werden zu können, wenn da steht, dass in Leer 1959 ein Wettkampf stattgefunden haben soll, der immerhin Ausschlag gibt über die Qualifikation zu Olympischen Spielen. Und man muss nicht viel verstehen von Musik, um wenigstens aufzuhorchen, wenn da angeblich ein unbekannter Ostfriese Songtexte für ein paar der berühmtesten Acts der 70er Jahre geschrieben haben soll.
Doch genau das passt ins Bild der (Zitat aus den Kommentaren) „lustlosen Platzhirschen“: Man hätte eine wirklich nette Geschichte über einen lokalen Helden, man könnte daraus wirklich ein hübsches Stück machen — und stattdessen schreibt man ohne nachzudenken aus „Wikipedia“ ab und fabuliert zudem noch allergrößten Nonsens. Mehr an Unlust und Unfähigkeit kann man kaum an den Tag legen. Und ich bin mir –leider– ziemlich sicher, dass man, würde man eine Art Watchblog für Lokalredaktionen gründen, auf relativ viele ostfriesische Gewichtheber und ostwestfälische Bankenkrisen kommen.
(Danke an R.T.)