Dass Lutz Schumacher in seinen Ansichten nicht einigermaßen radikal wäre, wird ihm vermutlich niemand vorwerfen. Regelmäßig macht der gute Mann Schlagzeilen, man muss die ganzen alten Geschichten aus Münster dazu wirklichnicht mehr hervorkramen. Mit seinen neuesten Ideen für den „Nordkurier“ hat er sich auch nicht nur Freunde gemacht, auch wenn man mit einigem Vorwürfen in dieser Geschichte womöglich zu weit gegangen ist.
Jetzt hat Schumacher sich mal wieder öffentlich zu Wort gemeldet: Mit einem Gastbeitrag bei „Carta“, der in der Twittersphäre heute gar als „schmerzhafte Thesen“ angekündigt wurde. Ohja, schmerzhaft ist der Beitrag durchaus — aber aus anderen Gründen: zum einen, weil es irgendwann ärgerlich wird, immer wieder das gleiche leere Geplapper ertragen zu müssen; zum anderen, weil man sich wundert, dass ein gerade eben grimmegekröntes Onlineangebot einer solchen inhaltlichen Leere derart viel prominenten Platz einräumt.
Was Schumacher bei „Carta“ von sich gibt, liest sich stellenweise wie aus einem Phrasenroboter für Sonntagsredner zusammengestellt. Beispielsweise schreibt er über die Neupositionierung von Zeitungen folgendes:
Wie in allen anderen Branchen, die sich in einer Niedergangsphase befinden, brauchen wir jetzt dringend Innovation und müssen dabei leider auch mit schmerzhaften Rückschlägen rechnen.
Darauf wäre man von alleine gar nicht gekommen. Wie diese Innovationen aussehen sollen, lässt Schumacher offen, vermutlich deswegen, weil „Innovation“ alleine schon ziemlich spannend klingt und man mit Wortgeklingel dieser Art insbesondere dort, wo Schumacher seine Karriere begann, ja im Allgemeinen ganz gut durchkommt. Schließlich ist das die völlig gefahrlose Variante: Man erzählt etwas, auf was sich vermutlich alle einigen können, pusht das Ganze mit ein paar Buzzwords und verwendet noch ein klingeliges Adjektiv („schmerzhaft“) — und schon hört es sich gar nicht so schlecht an, wenn man nicht so genau hinhört.
Richtig ulkig wird Schumacher dann beim Thema Qualität, was insofern nicht verwunderlich ist, weil man Schumacher bisher eigentlich nicht als hehren Hüter der Qualität eringeschätzt hätte. Aber, man staune, jetzt fordert der gute Mann eine „Qualitätsdebatte“ (klingel…), die aber eine ganz besondere sein müsse:
Wir brauchen eine Qualitätsdebatte. Aber nicht so eine verlogene wie jetzt, wo die eine Lobby der anderen schöne Grüße ausrichtet. Es kann nicht sein, dass eine Handvoll selbst ernannter Experten im Verbund mit Journalistengewerkschaftern ein Begriffsmonopol auf das Wort „Qualitätsjournalismus“ halten.
Was an den Debatten „verlogen“ sein soll, erklärt Schumacher nicht so ganz; man könnte aber leicht auf die Vermutung kommen, dass es etwas mit seinem eher gespannten Verhältnis zu Journalistenverbänden zu tun hat. Und die „selbsternannten Experten“ (klingel…)? Muss man nicht näher definieren, sind im Zweifelsfall vermutlich die, die nicht Schumachers Meinungen teilen. Immerhin macht sich Schumacher die Mühe zu definieren, was für ihn Qualität bedeutet: Irgendwie gehe es um die Leser und dessen Bedürfnisse. Ach.
Ja, und überhaupt: Wenn man wissen wolle, was Qualität für den Leser bedeute, müsse man mehr über ihn wissen, schlussfolgert Schumacher. Dass man vielleicht mehr mit ihm kommunizieren könne, liegt jetzt für Schumacher nicht unbedingt auf der Hand, aber dafür anderes:
Wir müssen Einkommen und die sozialen Faktoren kennen, ihr Freizeitverhalten, ihre Wünsche an die Zeitung und ihre Lebenswirklichkeit insgesamt. Wir müssen viel mehr Geld und Zeit in eine wirklich gute Marktforschung stecken. Eine gelegentliche Umfrage wird kaum ausreichen. Genaue Leserforschung und Geomarketing werden immer wichtiger.
Prima Idee. Man weiß dann auch statistisch und wissenschaftlich belegt, dass junges Publikum Zeitung irgendwie doof findet. Mit ein bisschen Glück findet man sogar heraus, warum.
Und schließlich steigert sich das Geklingel in ein furioses Finale der Phrasendrescherei, Schumacher kramt alles raus, was es irgendwo zu finden gibt: Lokale Kernkompetenz nicht aus der Hand geben! Selber Themen setzen! Recherchieren, kommunizieren und sich – um Himmels willen! – nicht klüger vorkommen als die Leser!
Man sinkt nach diesem Klingeloverkill ermattet in die Kissen, nimmt beiläufig noch wahr, dass Schumacher als Rausschmeißer irgendwas schwadroniert, dass Zeitungen wirtschaftlich arbeiten müssten (holla!) — und denkt sich schließlich, dass Schumacher ungewollt ein Manifest der Hilfslosigkeit bei vielen Blättern verfasst hat, weil man ja auf der anderen Seite befürchten muss, dass Schuhmacher bei einem der von ihm so verachteten Kongresse dafür vermutlich sogar noch Applaus bekommen hätte und der eine oder andere leise geraunt hätte: Mensch, der Schumacher, der hat´s begriffen. Wenn man jedenfalls von einem Verlagsgeschäftsführer allen Ernstes so etwas lesen muss, dann steht es vermutlich nicht gut um die Branche.
Und bei Grimmes sollten sie sich fast mal überlegen, ob sie den Preis für „Carta“ nicht wieder zurückziehen.
Warum hast Du diesen LS-Unfug eigentlich nicht gebührend gewürdigt?
„Zeitungsverlage haben sich jahrzehntelang darauf verlassen, dass ihre Redakteure per Begabung oder Eingebung wissen, was ihre Leser wollen. […] Deshalb gibt es bis heute keine geregelte oder zertifizierte Ausbildung bzw. einen verbindlichen fachlichen Studienabschluss für Journalisten. Jeder kann es werden.“
Aus den (Pro)Thesen des Herrn Schumacher spricht ein abgrundtiefer Hass auf Journalisten. Toll, wenn der Rettungsschwimmer nichts auf der Welt mehr hasst als Badegäste. Die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Tätigkeit.