Die taz als CSU-Handlanger

Wirklich, man muss die taz mögen. Man muss nicht immer mit ihr einer Meinung sein, man kann auch allerhand an ihr kritisieren. Aber alleine die Überschriften lohnen das Abo:

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Nach dem ersten lauten Gelächter am Schreibtisch dann aber doch die Grundsatzfrage: Ist das ok? Nicht, dass ich an der Darstellung der taz Zweifel hätte. Ich kann mir gut vorstellen, dass jedes Wort davon wahr ist; mit Michael Stiller ist zudem ein Autor beteiligt, der zu den profundesten CSU-Kennern überhaupt zählt.  Aber davon abgesehen, dass ich die Quellen für die Geschichte trotzdem fast ein wenig schwach finde: Als vor über zehn Jahren die Clinton/Lewinsky-Geschichte lief, dachte ich mir immer, dass diese Geschichte erstens nur drei Leute etwas angeht und dass ich es zweitens unerträglich (und typisch amerikanisch) finde, wenn aus einer Oralsexgeschichte eine versuchte Amtsenthebung wird.

Bei Seehofer ist das nicht anders. Auch er ist in diesem Fall Privatmann und auch ihn will man über diesen Umweg des Amtes entheben. Nicht, dass ich übermäßig viele Sympathien für ihn hegen würde. Und natürlich ist es fürchterlich verlogen, bigott und kalkulierend, was Seehofer gemacht hat, um Ministerpräsident und Parteichef zu werden. Aber es ist eben doch seine Privatsache (solange er nicht wie Berlusconi dubiose Tänzerinnen auf Staatskosten engagiert).  Man würde sich zudem wohler fühlen, wenn ein Politiker möglicherweise wegen seiner polischen (Fehl-)Leistungen abgestraft würde — und nicht wegen einer Sache, die jedes Jahr tausende Male irgendwo vorkommt. Da fand ich das Wahlergebnis in Bayern letztes Jahr schon wesentlich unterhaltsamer und ehrlicher als diese Nummer jetzt. (Man mag sich außerdem nicht vorstellen, was als nächstes kommt: Markus Söder?)

Und schließlich müssen Journalisten, die sich auf solche Nummern einlassen, auch wissen, dass sie sich instrumentalisieren lassen. Dass solche Meldungen durchgestochen werden, ist in der CSU lange schlechte Tradition. Das hat auch nichts mit irgendwelchen moralischen Aspekten zu tun, sondern ist reines Machtkalkül. Wer einen „Parteifreund“ hinhängt, will ihm schaden — das ist alles. Als Theo Waigel 1993 CSU-Vorsitzender werden wollte, geriet seine damalige Affäre mit Irene Epple in die Presse, Waigel musste Stoiber das Amt lassen. Seehofer wollte 2007 Parteichef werden und hätte vielleicht bessere Chancen gegen den späteren Abstimmungssieger Erwin Huber gehabt, wäre nicht zuvor seine kleine private Verstrickung bekannt geworden. Und wenn jetzt, drei Monate vor der Wahl und angesichts ziemlichen internen Unmuts über Seehofer, diese Geschichte wieder aufgewärmt wird, dann ist das eben auch politisches Kalkül. Wer diese Geschichte bringt, macht sich, ungewollt oder nicht, zum Handlanger in einer Intrige.

Insofern: Danke für die Schlagzeile, liebe taz. Aber von der Geschichte hättet ihr vielleicht doch lieber die Finger lassen sollen.

(Übrigens, „Bild“ empört sich heute ziemlich über die „taz“; wirft ihr vor, sie bringe Seehofer in Verruf und begehe „journalistische Todsünden“. Warum das fast so geheuchelt ist wie Seehofers Audienz beim Papst, hat Lukas drüben im „BILDblog“ aufgeschrieben.)

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Alex

    Bei mir lief es ähnlich: Laut gelacht und dann gestutzt, ob man so ein Thema bringen sollte. Es ist schwierig und ich kann all deine Argumente nachvollziehen. Was mich dann doch eher zu einem „Geht scho“ tendieren lässt, ist, dass diese Geschichte in einem erzkonervativen Milieu einer Partei geschehen ist (wenn sie denn geschehen ist), die rechts neben sich nur noch die Hardcore-Extremisten der DVU und NPD sitzen hat. Also in einem Milieu, dass das „Christlich“ im Namen durchweg noch alttestamentarlich versteht. Ein Milieu, dass mit Eva Hermann in ihrer Mitte gut auskäme und alles dran setzt, „die althergebrachten Werte“ hochleben zu lassen. Wenn sich dann die moralisierende Theorie soweit von der freigeistigen Praxis entfernt, darf man darauf schon mal hinweisen.

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