Um „Twitter“ wird es bis zum Jahresende deutlich ruhiger werden. Nicht, weil „Twitter“ irgendwas falsch macht oder weil die Idee nicht mehr zünden würde. Nach wie vor ist „Twitter“ ein ganz hübsches Kommunikationstool, in den letzten Monaten vielleicht etwas überbewertet, aber trotzdem: Das ist schon ok so. Aber die Euphorie, die sich um das Ding in den letzten Monaten entspann, die habe ich nie geteilt.
Jetzt also der erste Dämpfer: „What! Twitter Traffic Flat? Must be a mistake“, schreibt „paidcontent.org“ einigermaßen amüsiert über das einstalige Wundertool, bei dem es immer nur aufwärts zu gehen schien. Aber, Moment: immer?
(Quelle: paidcontent.org)
Wenn man sich die Kurve ansieht, dann erkennt man in ihr alle Anzeichen eines klassischen Hypes. Das „immer“ bestand de facto aus zwei, drei richtig heftigen Monaten. Im März legte „Twitter“ rund 5 Millionen User zu, das ist gut doppelt so viel, wie der Dienst noch im Januar insgesamt an Usern hatte. Was danach passierte, trägt ebenfalls die Anzeichen des Hypes: Ein ganz beträchtlicher Teil der neugewonnen User probierte das Spielzeug, von dem alle redeten, einmal aus — um es danach wieder liegen zu lassen. Ob das nun wirklich 60 Prozent sind, die nach kürzester Zeit wieder aussteigen, weiß ich nicht. Aber auch hier ist der Trend klar: Man probiert etwas aus, weil man so viel davon hört und lässt es dann wieder gut sein. Ein organisches, nachhaltiges Wachstum zeigen solche rasanten Kurven nur in den seltensten Fällen.
Ich weiß auch nicht, ob das wirklich daran liegt, dass die Leute überfordert sind, dass sie nicht wissen, wie man filtert, dass sie keine Ahnung haben, wo sie interessante Tweets finden. Vielleicht liegt das auch an ganz allgemeinen Dingen, die quasi in der Natur des Menschen begründet liegen: Nicht jeder will den ganzen Tag mitteilen, what he is doing right now. Es ist ja in der Bloggosphäre auch nicht sehr viel anders: Es gibt eine kleine, sehr aktive Gruppe und eine verhältnismäßig große Gruppe von stillen Mitlesern. Weswegen sich das Bloggen auf eine klar fokussierte Gruppe konzentriert, auch wenn uns Bloggern das vielleicht nicht passen mag. Aber: Ein beträchtlicher Teil der Onlinesurfer hat mit Blogs noch nie etwas zu tun gehabt. Das nur, um mal wieder den Check mit der Realität vorzunehmen.
Übrigens decken sich die Beobachtungen zum Thema „Twitter“ auch mit einen eigenen Erfahrungen. Da gibt es eine Handvoll Leute, die ich gerne lese, die spannende Tweets absetzen, die mir auch mal Themen und Geschichten nahelegen, die ich sonst vielleicht nicht entdeckt hätte. Einige sind verzichtbar — und eine ganze Reihe derer, die sich bei mir gemeldet haben und denen ich followe, schreibt schlichtweg nix mehr. (Ist ja auch nicht schlimmer: Lieber fünf gute Tweets am Tag als 15 Langweiler).
Und wenn ich gerade so darüber nachdenke — das alles deckt sich mit dem, was ich auch schon mal bei einer anderen gehypten Geschicte erlebt habe. Kennt jemand noch second life?
Sicherlich in diesem Zusammenhang auch interessant: Sehr viele Twitter-Accounts sind Karteileichen. Slate hat das sehr anschaulich untersucht: http://www.slate.com/id/2219995/