Die Passauer Neue Presse mit ihrer Geschäftsführerin Simone Tucci-Diekmann und ihrem Chefberater Rudolf Kollböck hat jetzt ein verblüffendes Rezept zur avisierten Stärkung des Lokaljournalismus entdeckt. Und das geht so: Man verzichtet (vorläufig) auf den bisher geplanten Kahlschlag in der Mantelredaktion – und entlässt stattdessen acht Lokalredakteure. Das bedeutet quasi, dass der Mantel mit all seinen hübschen dpa-Geschichten den Lokalredakteuren mehr als bisher schon den Rücken freihält, um saubere, spannende und möglichst exklusive Geschichten zu recherchieren. Das Gedränge in den Lokalredaktionen ist dann auch nicht mehr so groß, der Geräuschpegel sinkt, kurzum: Künftig finden die verbliebenen Lokalredakteure dann ideale Bedingungen vor, um richtig Qualität zu liefern!
Im Ernst: Das wirkt natürlich bizarr, wenn man als Lokalzeitung die Lokalredaktionen rasiert und den Mantel unangetastet lässt. An die Rückbesinnung auf das Lokale kann man angesichts dessen nur ziemlich schwer glauben, viel mehr zeigt diese (vorläufige) Entscheidung wieder einmal, wo die Verleger der PNP ihre Prioritäten sehen: In irgendwelchen Kanzlerinneninterviews, die morgens um 5 in den Frühnachrichten des BR zitiert werden, in einem Feuilleton, das in etwa so prickelt wie abgestandener Sekt – und natürlich in der wundervollen Reihe „Menschen in Europa“, die das Haus so viel Geld gekostet hat, das man mit ihm die jetzt gefeuerten Redakteure lange beschäftigen könnte. Aber mit den Redakteuren lassen sich natürlich nicht so hübsche Bilder machen und Vaclav Havel würde es bestimmt immer noch als einen der Höhepunkte seines Lebens bezeichnen, in Passau einen echten „Menschen-in-Europa-Award“ erhalten zu haben. Gespant darf man dann auch schon sein, was man bei einer der nächsten Veranstaltungen so zum Thema „Moral und Ethik in der Wirtschaft“ zu sagen haben wird, 2008 klang das ja schon wirklich beeindruckend.
Was gibt es sonst zu sagen? Wenn tatsächlich der PNP Anzeigen in einer Größenordnung von einer halben Million weggebrochen sind, hat das vermutlich eine Reihe von Gründen; einer davon ist sicher sinkende Auflage mit der damit verbundenen sinkenden Reichweite und der sinkenden Relevanz. Dagegen geht man nun an, in dem man potenziell die Auflage und die Reichweite und die Relevanz noch weiter sinken lässt.
Aber natürlich hat das nunmehr geplante Vorgehen auch einen anderen, viel banaleren HIntergrund: Die Lokalredakteure sitzen allesamt in den ausgegliederten Mini-GmbHs und sind, obwohl sie möglicherweise davor schon viele Jahre bei der früheren Neuen Presse Verlags-GmbH gearbeitet haben, arbeitsrechtlich viel leichter rauszukriegen als jemand, der schon seit 20 Jahren bei der NPV sitzt. Die Schlagkraft hat man damals mit dem diesem Konstrukt tatsächlich gestärkt – allerdings nur die der Verleger.
(Mehr wie immer bei den Kollegen vom Passauer Bürgerblick)