Vermutlich ist es ja gar keine besondere Weisheit, jemandem zu empfehlen, den Ratschlägen von Experten, Gurus oder gar Kultfiguren mit einer gewissen Skepsis gegenüberzustehen. Und hätte man es nicht schon vorher irgendwie geahnt, dass solche Prognosen entweder selbsterfüllende Voraussagen sind oder möglicherweise sogar einfach nur munter geratenes Zeugs, das sich bewahrheitet oder eben auch nicht, man hätte sich nur 2008 als bestes Beispiel heranziehen müssen. Selten so viele Fehleinschätzungen erlebt wie in diesem Jahr – und als Beleg dafür muss man nun wirklich nicht mehr das verwenden, was momentan an jedem gehobenen Stammtisch der Republik kursiert: Wer hat eigentlich Finanz- und Werbekrise kommen sehen? Na bitte.
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Auf der anderen Seite wird man ja das Gefühl irgendwie nicht los, dass diese Krise, die man einfach nicht sehen kommen konnte, jetzt auch ein schöner Vorwand für viele Dinge ist, die man schon gerne etwas früher gemacht hätte, sich aber nicht so richtig zu tun traute. Dass man beispielsweise bei der WAZ nicht nur 300 Stellen abbauen, sondern zudem auch noch das ganze bisherige WAZ-Modell abschaffen will, ist so eine Sache. Natürlich klingt es gleich viel überzeugender (und bedrohlicher), wenn man mit der verbalen Keule „Finanzkrise“ kommt. Man tut sich dann ein wenig schwerer mit der Gegenargumentation. Dass allerdings die WAZ und etliche andere, die jetzt über die Krise, die man sich kommen sehen konnte, lamentieren, erst von 2007 auf 2008 ziemlich rapide in diese unschöne Situation geraten sind, mag man getrost bezweifeln. Man muss ja nicht gleich von Menschen reden, die es sich zu lange zu gemütlich auf Sonnendecks eingerichtet hatten, aber kaum zu bestreiten ist, dass insbesondere in der analogen Welt sich die Alarmzeichen doch schon länger deutlich bemerkbar gemacht hatten. So eine Krise verschärft das eine oder andere.
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Wahr ist natürlich auch, dass es bestimmte Sachen gibt, die man kaum aussprechen sollte, weil sie politisch eher unkorrekt sind. Versuchen wir es trotzdem mal: Unbestritten gibt es Redaktionen und damit verbunden Journalisten, die man mal ordentlich durchrütteln müsste. Die ihre Zeitung immer noch so machen wie sie es irgendwann mal in den glorreichen 80ern getan haben. Die in ihrer Grundhaltung immer noch meinen, Kommunikation mit Lesern sei nicht weiter nötig und die immer noch glauben, der Hype mit diesem Interdings lege sich demnächst mal wieder. Auch 2008 habe ich mit gar nicht mal so wenigen (ansonsten durchaus geschätzten) Kollegen gesprochen, die ernsthaft argumentierten, dass ein gedrucktes Wort einfach mehr Wert und Glaubhaftigkeit habe als ein digitales. Sogar der Vorsitzende des Deutschen Journalisten Verbandes, Michael Konken, argumentierte in diese Richtung: Man sei es vom Netz ja gewohnt, dass es dort mit der Wahrheit nicht immer so weit her sei, während man vom gedruckten Medium selbstverständlich davon ausgehe, dass dort alles korrekt sei. Journalistenweisheiten 2008 – und man sollte besser nicht erwarten, 2009 würden solche extravaganten Einschätzungen weniger werden.
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Aber weil wir gerade beim Thema sind: Wie geht´s eigentlich unserer Blogosphäre? Gut, möchte man meinen. Auch wenn 2008 ein ziemlich merkwürdiges Genöle einsetzte, der Hype um die Blogs sei schon wieder vorbei und man dies daran festmachen wollte, dass die Zahl der Verlinkungen in der Bloggerwelt zurückgehe. Ach herrje, als könnte man den Stellenwert von Blogs daran festmachen, wie oft sie sich untereinander verlinken. Und schließlich könnte man das ja auch als ein Zeichen der Festigung werten: Auf dieser kleinen Seite hier habe ich auf meine Favoriten, auf diejenigen, von denen ich glaube, dass es sich lohnt, sie zu lesen, oft genug hingewiesen. Und nachdem erfreulicherweise von meinen Favoriten in diesem Jahr keiner dichtgemacht hat, muss ich ja nicht zum 17. Mal darauf verweisen, es lohne sich, bei diesem oder jenem mal vorbeizuschauen. Kein Gejammer also; im Gegenteil: Nach meinem natürlich überaus subjektiven Eindruck sind Blogs in der täglichen journalistischen Arbeit etwas, was immer selbstverständlicher wird. Seien es Journalisten, die selber welche schreiben, seien es Kollegen, die inzwischen bemerkt haben, dass man Blogs auch ganz prima zum recherchieren oder debattieren verwenden kann. Kann sein, dass es mehr schlechte als gute Blogs gibt, aber: Man kann diese Feststellung vermutlich auch an jedem durchschnittlichen Zeitungskiosk so treffen und beim abendlichen Durchzappen durch das Fernsehprogramm sowieso.
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Weil man ja von uns gerne verlangt, dass wir mit uns und unserem Berufsstand kritisch ins Gericht gehen sollten und wir das mit einer gewissen Streitlust ja auch tun, ist es vermutlich eine naheliegende Idee, über den eigenen Tellerrand hinauszusehen und sich ein Bild davon zu machen, wie es eigentlich in anderen Branchen so zugeht. Wenn man dann also rüberschaut (und damit wiederum bei den Auslösern der ganzen Malaise dieses Jahres landet) zu den Freunden aus der Banken- und Finanzbranche, dann kann man ja dann doch wieder ganz zufrieden sein mit dem Zustand des Journalismus. Ich starre jedenfalls immer noch mit einer gewissen Ekelfaszination auf eine dummdreiste Branche, die jahrelang ein – wie es der Spiegel so treffend beschrieb – Kapitalverbrechen begeht, danach nach dem Staat und seinen Steuerzahlern schreit, sich wie selbstverständlich dann retten lässt und kein einziges Wort der Verantwortung oder des Bedauerns findet. Ein Bischof hat während seiner Weihnachtspredigt den Herrn Ackermann des Götzendienstes bezichtigt und die Erwartung geäußert, dass nie wieder ein Vorstandschef einer deutschen Bank Renditeziele von 25 Prozent ausgibt. Und wie reagiert die Deutsche Bank? Lässt miteilen, dass sie verärgert sei. Prima, da sollte sie mal außerhalb ihrer Glastürme nachfragen, wie viele Menschen über die Banken, nunja, verärgert sind. Und vielleicht stellt SAT1 ja seine Sozialschmarotzer-Soap ein und mischt sich 2009 investigativ unter die Banker. Man würde vermutlich Dinge senden können, gegen die jeder Hartz4-Betrug wie eine Lachplatte wirkt. Aber das ist wahrscheinlich ein ziemlich naiver Gedanke.
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Vorahnungen 2009: Irgendwann wird jemand mal sowas wie Web 3.0 in die Runde werfen und die Gemeinde hat endlich wieder was buzziges zu debattieren. Die Verlage werden (um den Kollegen Niggemeier zu zitieren) weiter ausprobieren, ob es im Netz nicht mit noch ein weniger Journalismus geht.
Die Bundeskanzlerin spannt auf Initiative der deutschen Zeitungsverleger einen Rettungsschirm für die deutschen Tageszeitungen.
Don Alphonso wird Co-Herausgeber der FAZ und lernt Skifahren.
ProSiebenSAT1 kauft alle noch verbliebenen europäischen Sender, stellt danach wegen rund 30 Milliarden Schulden den Sendebetrieb ein und verkauft nur noch Pharmazeutika.
Hoffenheim wird Meister. Uli Hoeneß verkauft als Konsequenz daraus den FC Bayern an Google.
Alles wird gut.
Toll. Vielen Dank dafür!
Oh, Rennfahrer Biberl auf Bayerns Pisten bin ich seit dem zarten Alter von 4 Jahren. Und wo bleibt der Herausgeberposten?