Vor einigen Jahren mal hat man mir in meinem damaligen Job die Leitung eines publizistischen Monstrums übertragen: Das Ding nannte sich Zentralredaktion, ich assoziierte damit aus mir bis heute unerfindlichen Gründen immer ein Zentralkomitee und dachte an Erich Honecker. Vermutlich hatte diese Assoziation viel damit zu tun, dass man ähnlich beliebt war wie Erich im Haus. Die Einheiten, die wir quasi als hausinterne Agentur mit unseren wunderbaren Produkten belieferten, waren in etwa so beglückt wie eine Gruppe pubertierender FDJ-Zöglinge, die mal wieder eine Parade oder so was vorbereiten mussten, statt irgendwas anderes zu machen, was pubertierende Jugendliche gerne tun.
Inzwischen hört man dieses Wortmonstrum fast jeden Tag wieder aus irgendeiner Ecke und man wundert sich, warum eigentlich, wenn das anscheinend das neue Allheilmittel gegen publizistische und ökonoomische Krankheiten aller Art ist, man schon nicht früher darauf gekommen ist, einfach alles zu zentralisieren. Wenn ich allerdings an unseren damaligen Feldversuch einer Zentralredaktion für alles und jeden zurückdenke, dann habe ich Zweifel, ob die Idee wirklich so gut ist. Denn das Ganze hat, man ahnt es, nicht richtig gut funktioniert. Im Grunde waren wir ein redaktiongewordener Kompromiss: Natürlich ist eine Nachricht erst einmal eine Nachricht und Fernsehen ist Fernsehen und Online ist Online und Teletext ist Teletext. Der journalistische Mehrwert steigt auch nicht per se, nur weil statt einem vier Redakteure an einer Meldung sitzen. Allerdings – und ich habe echte Zweifel, ob Finanzinvestoren, Geschäftsführer und Controller das jemals richtig verstehen werden – muss man unterschiedliches Publikum auch unterschiedlich ansprechen. Vielleicht gar nicht mal so sehr, was die inhaltliche Gewichtung angeht. Wenn sich Roland Koch morgen von seiner Frau trennt, weil er seit Monaten ein geheimes Verhältnis mit Andrea Ypsilanti hat, wird das eine Geschichte für alle sein; egal ob für Bild oder SZ. Nur die Art und Weise, wie man diese Geschichte erzählt, welche Schwerpunkte man setzt, wie man sie aufbereitet, wird eine andere sein. Das kann keine Agentur ersetzen, weder eine zugekaufte wie dpa, noch eine hausinterne, was solche „Zentralredaktionen“ ja letztendlich sind. Wir haben damals jedenfalls im zum Scheitern verurteilten Versuch, es allen und jedem recht zu machen, nur eines geschafft: alle und jeden zu vergrätzen. Manchmal machte sich das in völig banalen Dingen bemerkbar; CD-Tipps und Filmbesprechungen beispielsweise. Wir hatten einen wirklich hochkompetenten Musikchef, bei dem wir wussten: Wenn der einen Track oder einen Interpreten nicht kennt, kennt ihn niemand. Aber was nützt mir der kompetenteste Musikredakteur, wenn er einen repräsentativen Querschnitt für ein Publikum erstellen soll, das mit 14 beginnt und knapp unterhalb der 70 endet; das DJ Ötzi ebenso liebt wie Belle & Sebastian? Unterm Strich haben wir uns übrigens damals übrigens dafür entschieden, dann doch wieder jeden Abnehmer mit dem Zeug zu beliefern, das seinem Publikum am ehesten entspricht; die DJ-Ötzi-Fans werden vermutlich glücklich gewesen sein, keine Besprechungen mehr lesen zu müssen, in denen die filigranen Fähigkeiten von Belle&Sebastian gerühmt wurden. Inhaltlich also eine prima Idee; aber die viel gerühmten Synergien unseres Zentralkomitees waren damit natürlich völlig im Eimer. Hätte jeder unserer Abnehmer seine eigene Musikredaktion behalten, wäre es echt gescheiter gewesen. (Ich will nicht verschweigen, dass es manches gab, was prima zentralisiert abzufeiern war: das Wetter beispielsweise muss man nun wirklich nicht viermal neu aufbereiten. Regen bleibt Regen.)
Man kann natürlich vordergründig den ökonomischen Druck verstehen, unter dem viele Häuser inzwischen stehen (wobei man allerdings auch ganz ohne Häme hinufügen könnte, dass es entsprechende Prognosen, Online werde den klassischen Medien erheblich Feuer machen, schon ziemlich lange und ziemlich häufig gab). Trotzdem sind solche Zentralisierungsgeschichten fatal: weil sie den Medien ihre Persönlichkeit, ihre Individualität, ihren Stallgeruch nehmen. Das sind keineswegs irgendwelche kleinen Nettigkeiten, mit denen man Medien aufpeppt, sondern sie sind die entscheidenden Kriterien dafür, warum man wahlweise zur SZ oder zur FAZ, zur FTD oder zum Handelsblatt greift, warum man ARD oder eben doch RTL schaut. Medien haben, wenn schon nichts sinn-, dann doch wenigstens etwas gemeinschaftsstiftendes an sich. Wer die SZ liest, liest sie eben nicht nur, weil dort Nachrichten nachzulesen sind. Sondern weil er dort – Achtung, Pathos – seine intellektuelle Heimat hat. Intellektuelle Heimat, die sich aus Contentfabriken speist? Kaum vorstellbar.
Kaum vorstellbar ist auch, wie man in Zeiten, in denen digitale Inhalte nicht nur frei, sondern auch häufig kostenlos sind, mit der Abwärtsspirale aus weniger Personal, weniger Seiten, weniger Qualität die Menschen dazu bewegen will, eben doch Geld auszugeben. Man habe das Gefühl, in den Abopreisen sei noch Luft nach oben, nachdem man in den letzten Jahren in diesem Bereich eher zurückhaltend gewesen sei, hat ein ziemlich bedeutender deutscher Verleger jetzt mal gesagt. Mag sein – aber müsste man nicht gerade für die Klientel, die bereit ist, noch mehr Geld für Medien auszugeben, ein ganz besonders hochwertiges Angebot machen? Sparen, kürzen, eindampfen auf der einen; Preise erhöhen auf der anderen Seite, das wird nicht zusammengehen.