Drei Dinge aus den letzten Journalistentagen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, dennoch aber ziemlich bezeichnend sind. Für uns und unser Selbstverständnis; man könnte auch sagen: Journalisten – und wie sie sich und die Welt sehen.
In der SZ schreibt Detlef Esllinger heute in einem Kommentar zum Tarifabschluss für Zeitungsredakteure, die ausgehandelten 4 Prozent seien zwar möglicherweise ökonomisch vernünftig. Keineswegs aber seien sie das Ergebnis einer Stratgeie als vielmehr von Lethargie. Esslinger erinnert daran, dass die Journalisten mit einer ursprünglichen Forderung angetreten seien, die nahe an der Metaller-Forderung von 8 Prozent gelegen sei. Den heutigen Tarifabschluss der Metaller (4,2 Prozent) konnte Esslinger zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen; sein Kommentar legt aber nahe, es sei zu erwarten, dass die Metaller deutlich mehr rausholen würden als die Journalisten (es kam anders, wie wir jetzt wissen).
Dafür gibt es aus Sicht Esslingers aus Gründe. Denn davon abgesehen, dass Journalisten eher unsolidarisch als Solisten gepolt seien, gibt es noch einen weiteren, anscheinend ziemlich entscheidenen Grund: Wir Journalisten machten unsere Arbeit viel zu gerne, als dass wir in einen ernsthaften Arbeitskampf treten würden. Ja, so ist das und so sehen wir uns anscheinend selbst: Idealisten im Kampf für gute, bessere Medien; die in diesem Kampf so weit gehen, dass sie sogar auf ordentliche Tarifabschlüsse verzichten. Darf man angesichts des Metallerabschlusses dann auch vermuten, dass Metaller mit ähnlich großer Begeisterung und Freude ihr Tagwerk verrichten?
Die zweite Beobachtung: Seit bekannt wurde, dass sie ihr Domizil in der Sendlinger Straße verlassen und in einen Büroturm am Münchner Stadtrand ziehen muss, liegt die SZ regelmäßig ihren Lesern mit der Klage ob dieses grauenhaften Schiscksals in den Ohren. Den Höhepunkt erreichte das Tremolo gestern in einer 56seitigen Beilage, die man, wenn man nicht gerade in München wohnt, kaum verstehen kann. Ob in Paderborn irgendjemand weiß, wo Zamdorf liegt und ob es in Senestadt auch nur einen Menschen interessiert, wo die Leitartikel der SZ geschrieben werden; man weiß es nicht. Das hindert die SZ, die sonst so gerne ihren überregionalen Anspruch herausstellt, nicht, sich auf 56 Seiten über Dinge auszulassen, die man außerhalb Münchens nicht nachvollziehen kann. Der Chefredakteur persönlich schreibt ein Editorial, der Vizechef schildert ein kleines bisschen langatmig, wie seine 13 Büros aussehen, in denen er bisher für die SZ gearbeitet hat; daneben viele kleine nette Schmonzetten, die sich im Intranet ganz prima machen, ansonsten aber für den Leser nur eines sind: belanglos. Ganz offensichtlich aber glaubt man (nicht nur bei der SZ), dass das Leben und Wirken von uns Journalisten so bedeutungsvoll sei, dass die Öffentlichkeit unbedingt daran teilhaben müsse. Man darf in diesem Zusammenhang übrigens darauf gespannt sein, wann die SZ mal wieder in einem bestimmt sehr klugen Leitartikel darüber sinniert, dass Lebensläufe an nur einer Stelle bei nur einem Arbeitgeber künftig die Ausnahme seien werden und dass eine gewisse Flexibilität heute einfach dazugehört (wenn es nicht gerade Steinhausen ist, was man einem Arbeitnehmer abverlangt; das „Wilschweingehege“; ein „Ort, der in ein paar Jahren vielleicht von seinem Schrecken verlieren wird“).
Und dann stellen wir uns doch am Rande noch vor, ein Betrieb, irgendein stinknormaler, in keinem Fall aber einer mit Journalisten, würde seinen Betrieb an den Stadtrand verlagern und die Mitarbeiter würden sich ähnlich aufführen wie die SZler; man würde gerne den Kommentar im Blatt lesen.
Drittens und letztens eine ganz banale, hier schon beschriebene Geschichte: Von den nicht einmal 20 Videos im sogegannten „Videoarchiv“ der Passauer Neuen Presse drehen sich mehr als die Hälfte um die PNP selbst.
Natürlich kann man das, was Dirk von Gehlen bei turi2 im Interview gesagt hat und was von Stefan Niggemeier einem Realitätscheck unterzogen wurde, erstmal für banal halten. Von Gehlen sagt ja nichts anderes als das, was eigentlich selbstverständlich ist: Dass es Leser da draußen gibt, die mehr wissen als wir. Dass wir mit ihnen kommunizieren sollten und dass es an sich auch keine besondere charakterliche Größe darstellt, wenn man einen gemachten Fehler auch mal öffentlich korrigiert. Dass man so etwas (zurecht übrigens) immer wieder explizit betonen muss zeigt, wie schwer wir uns mit diesem Thema tun. Es zeigt aber auch, welch in den Sphären der Selbstüberhöhung angesiedeltes Selbstverständnis wir haben, wenn wir es für erwähnenswert halten, dass wir vielleicht doch nicht immer und grundsätzlich im Besitz des alleinseligmachenden Wissens sind.