In den letzten Wochen auf diversen Veranstaltungen immer wieder gehört – Erfahrungsberichte bevorzugt aus Zeitungsredaktionen, die in der Quintessenz ungefähr das Folgende aussagen: Unsere Chefs haben die Bedeutung von Internet erkannt. Wir wollen da jetzt voll viel machen. Wir sollen jetzt richtige Crossmedia-Redakteure werden. Ohne einen vernünftigen Internetauftritt wird unsere Zeitung nicht mehr funktionieren.
Das klingt erstmal richtig prima. Danach kommen dann die Einschränkungen: Nein, es soll nach Möglichkeit nichts oder maximal sehr wenig kosten. Nein, eine richtige Strategie gebe es dafür noch nicht, man sei momentan noch in der Versuchsphase. Personal, ja, das sei schwierig, eigentlich wolle man mit dem bestehenden Personal nunmehr beides, Print und Online, abdecken. Ausbildung? Hmmpf. Oh ja, und richtige Software gibt´s leider auch nicht so.
Danach kommt Phase 3, nämlich die der Fragen: Ob denn dieses Internet nicht zwangsläufig mit einem Qualitätsverlust der journalistischen Leistung einhergehe? Oder, um mit DJV-Chef Konken zu formulieren: Im Netz hat man sich inzwischen ja daran gewöhnt, dass nicht alles stimmen muss, was da drin steht. (In dem Zusammenhang erinnere ich mich an die Geschichte eines Chefredakteurs, der sich zwar jeden Einspalter der gedruckten Ausgabe auf den Tisch legen lässt, den von Volontären bestückten Onlineauftritt aber noch nie eines Blickes gewürdigt hat, obwohl er da ebenfalls im Impressum als verantwortlich gehandelt wird. Vielleicht wäre das ja mal ein Ansatz für den DJV).
Das alles zusammen genommen finde ich immer ziemlich lustig. Man hat es also in den allermeisten Fällen immer noch mit einem krassen Missverhältnis zwischen Online- und Printressourcen zu tun, ist irgendwie auch nicht bereit, in diese neuen und vermeintlich doch auch so wichtigen Medien zu investieren, will also etwas tun, was alleine schon betriebswirtschaftlich noch nie funktioniert hat (Expansion bzw. neue Produkte völlig ohne Investition) – und meint dann, der in dieser Konstellation sehr wahrscheinliche „Qualitätsverlust“ hänge per se mit dem neuen Medium zusammen?
Meine These bleibt: In 80 Prozent der deutschen Zeitungsverlage hat man schlichtweg die Digitalisierung und ihre gesammelten Konsequenzen immer noch nicht begriffen. Man meint weiterhin, es gehe darum, den Online-Auftritt etwas aufzuhübschen und ggf. als Krönung der journalistischen Schöpfung ab und an ein selbstgedrehtes Video einzubauen. Dass Onlinemedien die Welt so verändern wie vor Jahrhunderten der Buchdruck, dass nichts mehr so sein wird wie es mal war und dass demnach ein ganzes Haus neustrukturiert werden müsste und dies nicht durch die Einstellung von eineinhalb Onlineredakteuren passieren kann- dieses (Achtung, Neudeutsch!) „big picture“ sehen immer noch die Allerwenigsten.
Amen!