Man hat, wenn man bei bestimmten Unternehmen arbeitet, einfach die A-Karte gezogen. Banker beispielsweise sollte man heute aus Imagegründen besser nicht mehr sein oder Heuschrecke. Wenn man bei der Telekom arbeitet, wird es dann schon richtig kritisch – und vollends zum Abschuss freigegeben ist alles und jeder, der bei der Deutschen Bahn arbeitet, aus manchmal übrigens sehr nachvollziehbaren Gründen, die jeder kennt, der schon mal Bahn gefahren ist.
Auch für Journalisten ist demnach alles, was mit der Bahn zu tun hat, ein leichtes Opfer. Die Preise steigen? Skandal! Die Bahn schreibt schwarze Zahlen? Ungeheuerlich! Kurz gesagt, alles was man bei anderen Unternehmen als ziemlich normal betrachtet, löst bei der Bahn kleine Erdbeben aus. Sogar meine innig geliebte SZ war sich am Wochenende nicht zu blöd dafür, die Tatsache, dass am Schalter eingelöste Tickets künftig teurer sind als online oder am Automaten gekaufte, als Aufmacher auf Seite 1 der Wochenendausgabe zu platzieren. Kein Georgien, kein Obama oder McCain, keine Merkel, nein: Die Bahn führt einen Zuschlag auf Schaltertickets ein. Die Fahrt im ICE von Hamburg nach Hannover kostet zudem künftig einen strammen Euro mehr; das schreit natürlich auch gleich noch nach einem Kommentar. Ich glaube, das war der erste Moment in meinem Leben, in dem ich so etwas wie Mitleid mit Hartmut Mehdorn empfunden habe. Wenn das der Maßstab ist, müsste künftig jeder Ölmulti täglich an den Pranger gestellt werden und jede Bank mit versteckten und manchmal auch nicht versteckten Gebühren auch (übrigens: auch dort sind Papierüberweisungen häufig teurer als Online-Überweisungen).
Aber klar, die Bahn hat ein Image das tatsächlich noch schlechter ist als das von Banken (ziemliches Kunststück übrigens). Und solange das so ist, kann man einen 2,50-Zuschlag auf Tickets schnell mal eben zum Staatsakt hochjazzen.
Es hat sicher auch etwas mit der Art der Kommunikation, den verknitterten Gesichtern, dem nicht eben konzilianten Stil der Nachrichtenüberbringung zu tun, die diese Nachrichten begleiten.
Man erinnere sich an die Medienschlacht gegen die GdL, die dem Georgien-Russland Konflikt in der Wahl der Mittel nur unwesentlich nachsteht.
Von Kundenseite ist nicht zu unterschätzen, dass öffentlicher (sic!) Verkehr genau wie Gesundheit, Wasser, Verwaltung, Polizei, Schule und Bildung im Bereich der Grundrechte und öffentlichen Pflichten gesehen wird. Gewinnorientierung beißt sich mit dieser Sicht. Insofern muss sich Mehdorn nicht wundern, wenn jeder Zentimeter in Richtung Privatisierung ein Geschrei auslöst.
Das wusste und weiß er aber. Ihm bleibt dennoch nichts anderes, als den bösen Mann zu spielen, um sein Lebenswerk zu vollenden.
Ich enthalte mich jeglicher persönlicher Beurteilung der Person und Zielrichtung. Aber man sehe sich mal Großbritannien an und entscheide, ob es dem Land eher geholfen oder geschadet hat, dass u.a. Bahnen und Wasserversorgung privatisiert wurden.
Man füge dem das Anspruchsdenken der Deutschen hinzu, die dem Staat bestimmte Pflichten auferlegt, die in anderen Ländern dem Bereich der Privatinitiative angehören und wird schnell erkennen, da reibt sich was und will nicht recht passen.
Und dann kommt halt er und sagt, „dann wird es eben passend gemacht!“ Wer wundert sich da noch über Konflikte???
Der zwoeurofuffzich-Zuschlag an sich ist nicht von Belang, das ist richtig. Von Belang und vor allem ärgerlich ist hingegen, daß die von Mehdornscher Renditegeilheit umnachtete Bahn laufend Streckennetze ausdünnt, die Infrastruktur verrotten läßt, einen immer mieseren Service bietet und dafür noch die Frechheit besitzt, mehr Geld zu verlangen.
Nein, ich will nicht zur hoheitlich-miesepetrigen Staatsbahn mit Beamtenstatus zurück. Aber es wäre schön, wenn sich die Verantwortlichen gelegentlich an die gute alte kapitalistische Tugend der Kundenfreundlichkeit erinnerten.