Beim BDZV haben sie unlängst einen sehr klugen Satz gesagt: Die Entwicklung der kommenden drei Jahre werde über-, die der nächsten zehn Jahtre hingegen unterschätzt. Der Satz stammt von Richard Rebmann, dem Vizechef des Verbands und gleichzeitig Geschäftsführer der SWMH. Das Zitat ist insofern gut, weil es , gewollt oder nicht, illustriert, was momentan am Markt los ist: Irgendjemand wirft etwas in die Runde mit dem Kontext „Internet“ und irgendwie werden sie alle ganz wuschig. Man könnte folglich also auch das Wort „Unterhose“ in den Ring werfen, wenn es im Kontext mit Online ist, ist es gut. (Nebenbei bemerkt sind allerdings auch die Realitäten beim BDZV lustig: Der Kongress, in dessen Rahmen dieses Zitat fiel, war Mitte Juni. Der entsprechende Newsletter dazu wurde Anfang August versendet – alte Printerdenke eben.)
Tatsächlich ist es so, dass die momentane hektische Betriebsamkeit ein kleines Problem mit sich bringt: Man kann sich zwar auf die Schulter klopfen und betonen, man sei jetzt auch im digitalen Bereich irgendwie irre aktiv. Nur nutzt das gar nichts, wenn man die langfristigen Veränderungen (ebendiese besagten zehn Jahre) nicht realisiert und nicht versteht. Es dreht sich schon seit längerem nicht mehr darum, eine hübsche Webseite hinzustellen, irgendetwas zu verlängern und zu verzahnen. Letztendlich wird es darum gehen, eine Inhalteplattform, eine digitale information utility aufzubauen. Das wird der entscheidende Trick der kommenden zehn Jahre sein – und nicht etwa dieses immer noch veraltete Denken, man habe ein Muttermedium, neben dem man noch ein paar Beiboote fahren lässt. Selbst dann nicht, wenn man diese Beiboote mit ein paar PS mehr aufhübscht.
Nix neues, das? Nein, das ist es in der Tat nicht. Aber das war (und ist) in der Autoindustrie ja auch nicht viel anders, möglicherweise gehört dieses nicht sehr langfristige Denken auch einfach zur menschlichen Grundaustattung. Jedenfalls kann ich mich erinnern, als schon Ende der 80er die ersten Gedanken an ein mögliches Ende des Zeitalters der fossilen Brennstoffe auftauchten. Trotzdem haben die Autobauer fröhlich weiter technische Monstren, gipfelnd in den SUV´s , die auf 100 Kilometer 15 Liter brauchen, gebaut. Jetzt kostet der Sprit 1,50 und die ersten Rufe nach Subventionen werden laut. Man hätte das alles allerdings leicht vorher wissen und entsprechend reagieren können.
Würde mich jedenfalls nicht wundern, wenn bald die ersten Rufe nach einer Subventionsabgabe zur Rettung notleidender Zeitungen laut würden. Man hätte nämlich auch dort einiges schon sehr viel früher wissen können…beispielsweise dass 15 Liter auf 100 Kilometer irgendwann einfach nicht mehr bzeitgemäß sein würden.
Ich glaube nicht, dass der kurzfristige Planungshorizont aus unsere menschlichen Grundausstattung abzuleiten ist. Es hat irgendwann in den Achtzigern ein Paradigmenwechsel, man möge es die Amerikanisierung des Managements nennen, stattgefunden, der uns in die Kurzfristigkeit treibt.
Zahlen und Ergebnisse müssen schnell produziert werden, nicht nachhaltig. Ich pfeife auf morgen und übermorgen, wenn ich heute das große Geld machen kann. Kosteneinsparungen und damit heutiger Profit sind wichtiger als Qualität und sozialer Friede, also die Determinanten morgigen Erfolgs.
Einher mit diesem Paradigmenwechseln gehen meinem Empfinden nach die Entprofessionalisierung der Leistungserbringer und die Beseitigung von moralischen Grenzen und Bedenken.
Nehmen wir den um sich greifenden Durchreichejournalismus als Beispiel für die Entrprofessionalisierung, bei dem nur noch Agenturmeldungen in ein Formatschema gepresst werden, aber inhaltlich kaum noch gearbeitet wird. Das berufliche Ausbildungssystem mit Lehrling und Meister auf den Müll, bei uns wird bald nur noch angelernt! Das ist übrigens auch angelsächsische Tradition. Warum soll einer 5 Jahre studieren, 1.5 tun es doch auch? Und überhaupt, warum noch hier produzieren, wo doch alles so teuer ist?
Und die Beseitigung von moralischen Grenzen und Bedenken? Man wird als Verantwortlicher höchst selten zur Verantwortung gezogen, weshalb man sich mit solchen belastenden Gedanken auch nicht mehr gerne abgeben mag. Und die Gier, Subprime lässt grüßen, kommt dann oft noch dazu, als persönliche oder betriebliche Triebfeder. Der andere „verdient“ eine Million mehr, da muss ich aber mal mit meinen Aufsichtsrat reden. Der Wettbewerber macht dies oder das doch auch, da können wir doch nicht abseits stehen.
Alle drei Aspekte zusammen führen zur völligen Planlosigkeit und Schaumschlägerei, dort wo die Geschäftsmodelle der Zukunft entworfen werden. Sie wissen es einfach nicht besser. Also probieren sie halt aus und laufen jedem Trend und jedem Hype nach. Unternehmer sein kommt schließlich von „etwas unternehmen“, oder nicht?
Der Haken ist bloß, es gibt immer weniger Unternehmer, die ihr eigenen Kapital und ihre Reputation und die Zukunft ihrer Familie in die Waagschale werfen, und immer mehr Manager, die das eben per definitionem nicht tun.
Und der Job ist natürlich auch nicht einfach. Was wurden die Manager von Opel geprügelt, als die Verkaufszahlen zurückgingen und man „plötzlich“ feststellte, dass die eine völlig verfehlte Modellpolitik gefahren hatten. „Der Markt will SUVs und Pickups statt Corsa! Wieso haben wir nur Biederes im Angebot?“ Oder Ford in den USA: „Der Markt will keine Spritfresser mehr, warum haben wir nur Hollywoodschaukeln auf Rädern im Programm?“
Also hektisch übern Ecktisch und so schnell wie möglich dem Trend von gestern hinterher, für den von Morgen haben wir jetzt echt keine Zeit.
Seit Jahrzehnten rennen den deutschen Autobauern Erfinder und Entwickler die Türen ein mit besseren Motoren, besseren Kraftstoffen und Energiequellen. Es interessiert sie einfach nicht. Solange der Markt auf PS setzt, tun sie nichts. Plötzlich dreht aber der Wind und sie stehen blank da.
Aber auch dafür gibt es eine Lösung. Da Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen, ruft man einfach die Politiker, apropos planlose Schaumschläger. Die machen schließlich den ganzen Tag nichts anderes als Probleme zu lösen. Verluste werden schnell mal wegsozialisiert und gut ist.