Erstaunlich, wie Ambitionen innerhalb einer Woche in sich zusammenfallen können. Wäre es von Relevanz und würde es sich lohnen, ich würde nach Bildblog wahrscheinlich Zoomerblog ins Leben rufen (lohnt aber nicht, weil Zoomer ohne Relevanz ist). Wie auch immer, erstaunlich ist es ja schon, wie fahrlässig und salopp dort mit journalistischen Prinzipien umgegangen wird, da nutzt auch Onkel Uli Wickert nix. Heute beispielsweise verkündet eine Schlagzeile auf der Startseite als Topthema Nummer 5, Antidepressiva seien laut einer Studie wirkungslos.
Aha.
Sieht man mal davon ab, dass diese Geschichte in allen relevanten Medien schon gestern durch war, wimmelt es in diesem Text (der nur exemplarisch steht, wie gesagt, es wird kein Zoomerblog geben) derart vor Fehlern und Schlampereien, dass Herr Niggemeier und Freunde ihre helle Freude dran hätten, wäre das nicht Zoomer, sondern Bild. Während man beispielsweise in der Überschrift und im Vorspann noch impliziert, es handle sich um das Medikament Prozac, stellt sich zwei Absätze später raus, dass die Studie keineswegs nur die Wirksamkeit von Prozac, sondern von Antidepressiva generell untersucht. Und von völliger Wirkungslosigkeit, wie der Text samt Überschrift zunächst suggeriert, kann ebenfalls keine Rede sein. Vielmehr heißt es, bei Menschen mit leichten oder mittelschweren Verstimmungen würden Placebo häufig ähnlich Wirkungen haben wie Antidepressiva. Man kann daraus also eventuell schlussfolgern, dass Ärzte gerne und schnell zur chemischen Keule greifen, aber von völliger Wirkungslosigkeit ist nicht die Rede, zumal nicht in wirklich schweren Fällen.
Und schließlich noch: 54 Millionen Menschen würden weltweit Prozac einnehmen, behauptet Zoomer – eine Welt Schwerkranker also, wenn man dann noch hochrechnet, wie viele andere Menschen noch depressiv sein müssen, wenn man die anderen Medikamente noch hinzunimmt. Tatsächlich aber heißt es dann im begleitenden Infokasten, dass bisher 54 Millionen Menschen mit Medikamenten behandelt wurden, die den in Prozac enthaltenen Wirkstoff ebenfalls enthalten.
Man liest so etwas ziemlich häufig bei Zoomer, und in der Tat ist der Schluss erlaubt, um was es bei diesem Projekt wirklich geht: Um Futter und Kundenbindung für die VZ-Communitys. Journalismus jedenfalls sollte man sowas nicht wirklich nennen.
(PS: In dem Zusammenhang meine Hochachtung vor allen Watchbloggern dieser Erde. Es macht zumindest mir keinerlei Spaß, sowas lesen und sezieren zu müssen. Vermutlich würde ich spätestens nach einem Vierteljahr auf Prozac zurückgreifen, völlig egal, ob es was nutzt oder nicht.)
Wie Einstein schon sagte: Die Kontraste und Widersprüche, die dauernd in einer Hirnschale friedlich nebeneinander hausen können, werfen alle Systeme der politischen Optimisten und Pessimisten über den Haufen.