Die ersten Zahlen für den neuen WAZ-„Westen“ waren, nunja, ernüchternd. Wenn man die IVW-Zahlen zum Maßstab nimmt, könnte man bei ein bisschen Bösartigkeit von einem kolossalen Flop sprechen. So weit muss man allerdings gar nicht gehen und man muss auch nicht über die strukturellen Schwächen des Angebots diskutieren (die es zweifelsohne hat). Viel interessanter finde ich bei dieser Geschichte einen anderen, bisher wenig beachteten Aspekt – und der hat nichts mit dem „Westen“ oder der WAZ im speziellen, sondern generell sehr viel mit der Lage unserer Regionalzeitungen zu tun:
Man liebt sie nicht. Man braucht sie vielleicht, so wie man auch viele andere Dinge braucht. Aber man muss sie nicht mögen.
Tatsächlich kenne ich auch bei näherer Betrachtung niemanden, der das wirklich tut. Man liest Regionalblätter aus den unterschiedlichsten Motivationen, man mag sie im gewissen Sinne auch für unverzichtbar halten. Wegen der Supermarktangebote, der Todesanzeigen oder meinetwegen sogar deswegen, weil man halt doch wissen will (oder muss), was vor der eigenen Haustür los ist. Aber es gibt auch viele andere Dinge, die zwar irgendwie unverzichtbar sind, die man aber deswegen trotzdem nicht unbedingt innig mag.
Tatsächlich sind eine ganze Reihe regionaler Zeitungsverlage in den vergangenen 15 Jahren, seit sich die Entwicklung abzuzeichnen begann, einer merkwürdigen Logik gefolgt: Statt das schwächelnde Produkt zu stärken resp. zu verbessern, passierte genau das Gegenteil. Steigende Kosten, weniger Erlöse? Das Gegenmittel hieß häufig: Personal raus, Seitenumfang reduzieren, ausdünnen, wo es geht. Stattdessen: Praktikanten rein, Agenturen rein, überhaupt: alles rein, was billig ist. Mit dem bemerkenswerten Ergebnis, dass es schon mal vorkommt, mein Heimatblättchen in der Hand zu halten und nachzuschauen, ob nicht irgendwie was fehlt (am Freitag im Zug beispielsweise dachte ich allen Ernstes, ich hätte beim Bäcker nur den Manteil bekommen). Das Blatt mit manchmal insgesamt 28 Seiten Umfang kostet dafür inzwischen umgerechnet irgendwas an der Drei-Mark-Grenze im Einzelverkauf.
Was das mit dem „Westen“ und den Online-Bemühungen der WAZ und auch einiger anderer zu tun hat? Sehr viel. Wem man schon im richtigen Leben als gedrucktem Medium mit wenig bis gar keiner Bindung oder auch nur ein wenig aufwallenden positiven Gefühlen gegenübersteht, weil man ihm und seinem de-facto-Monopol ausgeliefert ist, dem wird man in dem Moment, in dem man ihm ausweichen kann dann auch tatsächlich – ausweichen. Kürzer gesagt: Als Zeitung brauche ich die WAZ oder andere Regionalmonopolisten vielleicht (noch). Online ist das nächste gute Angebot gerade mal den berühmten einen Mausklick entfernt.
Wenn also tatsächlich nur statistisch gesehen auf jeden Einwohner im Einzugsgebiet 0,3 Besuche beim „Westen“ kommen, dann heißt das nicht nur, dass sie das (Online-)Angebot als solches nicht akzeptieren. Es könnte auch heißen, dass die Leute auch die WAZ nicht sehr akzeptieren – und ihr da aus dem Weg gehen, wo sie es können.
Vielleicht kein Trost für die WAZ – aber ich würde vieles darauf wetten, dass etliche andere Blätter vor ähnlichen Problemen stehen. Sie merken es nur noch nicht. Weil sie in der Online-Welt de facto gar nicht statt finden.
Genau da liegt das Problem: Viele Regionalzeitungen wissen nur, dass die Leser sie kaufen müssen, weil es (noch) keine Alternative gibt. Das überall sonst in der Welt Dinge gekauft werden, weil der Kunde sie will, geht da nicht in den Kopf.
DerWesten kann mir auch nicht erklären, warum ich reinklicken muss: Besseren Journalismus, bessere Blogs und bessere Videos gibt es anderswo im Netz, und für die Lokalnachrichten und die Supermarktprospekte reicht die Anzeigenblättchen. Schade.