Merkwürdig ist das ja schon irgendwie: Ausgerechnet wir Journalisten, die wir von anderen gerne die Fähigkeit zur Differenzierung einfordern, tun uns mit genau dieser Differenzierung ziemlich schwer. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass bei nahezu jeder Veranstaltung und Diskussion zum Thema Medienzukunft irgendwann dieses Fass aufgemacht wird, auf dem groß und in Leuchtfarbe steht: entweder/oder.
Im Entweder-Oder-Fass befindet sich dann aber leider meistens kein aufbauender und inspirierender Zaubertrank, sondern eine eher ungenießbare Brühe. Das Spiel spielt sich dann in etwa wie folgt ab (so wie auch gestern abend wieder bei einer kleinen Runde im Münchner Presseclub, bei der ich mitdebattieren durfte): Man gibt zu bedenken, dass sich die Dinge gerade im ziemlich heftigen Fluss befinden und sich so schnell ändern wie noch nie zuvor. Man gibt dann weiter zu bedenken, dass dies für unsere bisherigen konventionellen Medien und ihre Journalisten, unbeschadet ob Zeitung, Radio oder Fernsehen, ein paar Veränderungen einhergehen werden, von denen man noch nicht so ganz genau sagen könnte, wie sie aussehen werden, weil Hellsehen leider noch nicht erlernbar ist. Statt dann aber darüber zu reden, wie solche Veränderungen aussehen und die Vorbereitungen darauf aussehen könnten, kommt als Killer-Gegenargument in etwa folgendes. Erstens: Zeitungen hat es schon immer gegeben. Zweitens: Zeitungen wird es auch immer geben. Drittens: Zeitungen rascheln beim Lesen so schön. Ob Fernseher wohl auch rascheln, wenn man sie abends zusammen faltet? Erstaunlich übrigens, wenn man über Veränderungen im Journalismus in einem digitalen Zeitalter redet und die Diskussion dann nahezu immer auf Zeitungen kommt. Ganz so, als wären Radio und TV keine Medien und von den anstehenden Veränderungen quasi ausgeschlossen.
Mich wundert, dass man so selten Leute hört, die erkennen, dass das eine das andere nicht ausschließt. Dass eine vernünftige Digitalstrategie nicht zwangsweise das Ende der gedruckten Zeitung bedeutet und dass umgekehrt es der Digitalstrategie nicht schadet, wenn man dazu noch eine ordentliche Zeitung macht. Kein vernünftiger Mensch würde bezweifeln, dass die bisher bestehenden Medien auch weiterhin ihren Platz haben werden.
Und noch etwas hat mich gestern abend erstaunt: nämlich dass wir, beinahe schon im Jahr 2008 angekommen, über das Web immer noch reden, als sei es ein kleines Schifflein, dessen Segel man schon schemenhaft am Horizont erkennt und auf dessen Ankunft man sich allmählich ja mal vorbereiten könnte.
Gab es etwas neues zum elektronischen Papier? Wurde die Frage nach der Macht zur Verifizierung formuliert? Wurde angemerkt, das Zeitungen nicht untergehen, sondern sich aus dem Würgegriff der Anzeigenschalter befreien?
Weint reuters auch?
Überlegt man Zeitungsjungen die Extrablätter anpreisen in die Strassen zu schicken?
Internet – Druckerpresse – Manuskript
Automobil – Pferdewagen – Schusters Rappen
Oder GEZ und Grundversorgungsabonnement
oder die pflicht über jede news erst eine nacht tzu schlafen