Gleich dreimal in dieser Woche kleinere und größere Anlässe gehabt, über (Tages-)Zeitungen und deren Zukunft im Stillen zu philosophieren. Anlass Nummer eins: der Media-Coffee in Berlin, die Äußerungen dort auf dem Podium und die Reaktion vom Kollegen ix und dessen Auffassung, es habe sich weitgehend um gelangweilte Verwalter von irgendwas gehandelt. Naturgemäß habe ich eine leicht andere Meinung dazu, aber nicht, weil ich den Abend moderiert, sondern tatsächlich den Eindruck habe, dass sich ein paar Dinge im Denken der Printer gerade ändern. Nicht, dass ich meinen würde, alle Zeitungen hätten inzwischen erkannt, dass die Digitalisierung ihrem bisherigen monomedialen Geschäfts-Modell die Grundlage entzieht. Aber immerhin, die Total-Ignoranz, die noch vor zwei, drei Jahren bei vielen an der Tagesordnung war, die ist weg. Welche Schlüsse Zeitungen aus diesen Erkenntnissen ziehen, mag eine andere Sache sein, über die es sich zu diskutieren lohnt. Aber ich glaube, ich habe in den vergangenen 12 Monaten keinen Zeitungsmenschen mehr erlebt, der den aktuellen Radikalumbruch und das daraus resultierende Gefährdungspotential negieren würde. Meine Theorie ist übrigens eine denkbar einfache: Die, die es erkannt haben, dass sie sich sowohl in ihren Inhalten als auch in ihren Strategien verändern müssen, werden überleben. Die anderen nicht.
Zweiter Anlass: eine Einladung, einen Abend beim einem Regionalverband des BJV ein wenig zu plaudern über Cross- und Multimedia. In Niederbayern, weit entfernt von den taz, Tagesspiegel, FAZ, SZ-Redaktionen dieser Welt. Stadtplatz Plattling statt Berlin Alexanderplatz, zwei völlig unterschiedliche Welten (eine Feststellung, keineswegs eine Wertung). Ich würde fast eine Wette eingehen: Wenn ich da am Dienstag abfragen würde, wem – nur mal angenommen – die Namen Stefan Niggemeier, Don Alphonso, Peter Turi, Robert Basic und Felix Schwenzel auch nur irgendwas sagen, es wird ein verschwindend geringer Anteil sein. Und bitte jetzt keine hämischen Bemerkungen über Provinz in Bayern: Das sind allesamt nette und interessierte Kollegen, die da ihrem Job nachgehen, ich meine das keineswegs spöttisch. Sie repräsentieren einen deutlich größeren Anteil der Tageszeitungsredakteure, als dass beispielsweise die Gäste vom MC am Dienstag in Berlin taten. Will heißen: Bei einem beträchtlichen Teil des Publikums in unserem kleinen Land ist das, was wir auf Panels und anderem Zeug debattieren, noch gar nicht wirklich angekommen. Deren Lebenswirklichkeit sind nicht Blogs (nicht mal Alphablogger) und auch keine Websiten und irgendwelches Zwonullzeugs. Insofern haben Zeitungsmacher hier auf dem flachen Land sicher noch ein deutlich größeres Zeitfenster als in den Ballungsräumen. Wenn sie clever sind, nutzen sie es.
Dritter Anlass: ein leicht zu übersehender 15-Zeiler in der neusten Ausgabe des „Journalist“. Dort wird gemeldet, dass acht Prozent der Deutschen schon einmal auf den Kauf einer Zeitung verzichtet haben, weil sie den entsprechenden Inhalt auch im Netz lesen konnten (was mich etwas erstaunte: Ich hätte spontan diesen Anteil für deutlich größer gehalten). Überschrift dazu: „Online schadet Print“. Drei Worte, in denen die ganze Malaise der Zeitungsmacher komprimiert ist. Man sollte es nämlich genau andersrum sehen: Der Inhalt war es, der die Leute interessiert hat. So sehr, dass sie ihn gelesen haben, was in Zeiten des latenten Inhalte-Overkills ja schon mal was wert ist. Spielt es da wirklich auch nur irgendeine Rolle, auf welchem Trägermedium er gelesen wurde?