„Wenn ich sehe, dass jetzt SAT1 die Tour überträgt, dann fürchte ich, dass wir den Paukenschlag mit dem Tourausstieg umsonst gesetzt haben.“ Monika Piel, Intendantin des WDR, tat mir fast schon gar förchterlich leid, als sie sich gestern abend in den Tagesthemen echauffieren musste über die böse, private Konkurrenz, die jetzt die Tour de France überträgt. Staatstragend auch der Text im Beitrag von Detlef Schwarzer: „Unverständnis bei Bundesregierung und ARD!“
Ich fürchte ja ein bisschen, dass dieser Satz ziemlich viel über das Selbstverständnis der ARD aussagt, aber ganz davon abgesehen, dass es neben Bundesregierung und ARD noch andere Institutionen gibt: Als man dann auch noch in einem hochgradig lamoryanten Kommentar der Tagesthemen sich selbst auf die Schulter klopfte und SAT1 beschimpfte, wurde mir ein kleines bisschen übel anders. Bevor wir also jetzt mal eben wieder auf die einschlagen, die aus anderen Gründen gerade etwas am Boden liegen, erinnern wir uns doch nochmal an ein paar Dinge, die noch gar nicht lange zurückliegen.
Beispielsweise, dass die ARD über geraume Zeit hinweg als Teamsponsor bei der Tour de Trance auftrat. Daran, dass man jemanden wie Jan Ullrich sechsstellige Honorare bezahlte, dafür dass er für Exklusiv-Interviews zur Verfügung stand. Und daran, dass sowohl ARD als auch ZDF über Jahre hinweg ignorierten, dass jeder, der sich auch nur halbwegs für Sport interessiert, wusste, dass die Tour de France unter heutigen Anforderungen gar nicht ohne Pharmazie zu bewältigen ist. Wenn jemand an einem Tag völlig einbricht und am nächsten Tag locker eine Alpen-Etappe souverän gewinnt – das geht ohne medizinische Tricks? ARD und ZDF haben in den vergangenen Jahren nahezu alle sehr ernstzunehmenden Hinweise auf Doping bei der Tour munter ausgeblendet und auch für dieses Jahr zunächst eine Entscheidung von merkwürdiger Logik getroffen. Die ging in etwa so: Wir wissen, dass hier was faul ist. Wir übertragen trotzdem. Aber wenn wir nochmal einen, aber auch nur einen erwischen, der sich was zuschulden kommen lässt, steigen wir aus. Konsequenz ist was anderes.
Davon ganz abgesehen: Was für eine journalistische Bankrotterklärung! Was ist das für eine eigenartige Konsequenz, wenn man jetzt einfach so tut, als gäbe es die Problematik nicht mehr – und dann doch wieder in der Tagesschau Bilder vom Zieleinlauf und eine kurze Meldung über den Etappensieger bringt. Man blendet also die Dopingthematik aus und bringt abends lustige Siegerbildchen? Meine Vorstellung von gutem Journalismus wäre gewesen, die Tour weiter zu übertragen, das Dopingthema aber weiterhin zum Gegenstand der Berichterstattung zu machen. Nur mal angenommen, bei irgendeiner Partei fliegen illegale Machenschaften auf – muss ich dann als Zuschauer der ARD damit rechnen, dass die ARD nicht mehr vom Parteitag der Partei X berichtet?
Insofern ist esan Scheinheiligkeit kaum zu überbieten, wenn ausgerechnet diejenigen, die über Jahre hinweg sehr aktive Förderer eines Systems waren, das auf Betrug aufgebaut ist, nun auf andere einschlagen, weil sie die Tour übertragen. Ich erwarte nicht zwingend, dass SAT1 jeden Tag die Dopingthematik auf der Agenda hat – aber ist das wirklich verwerflicher, als ganz einfach auszusteigen aus der Berichterstattung?
*(Disclaimer: Ich habe lange für ProSiebenSAT1 gearbeitet und bin wie immer alles andere als unbefangen).
Verwerflich ist es nur, sich den Besch.ß noch anzugucken.