In diesem wunderbaren kleinen Film ist u.a. irgendwann mal die Rede vom „schlafenden 4. Stand“, wenn es um die konventionellen Medien geht, wie wir sie heute noch kennen. Ein innerliches breites Grinsen kann ich mir an dieser Stelle nie so ganz verkneifen, nach außen, den Schein wahrend, würde ich die Einschätzung, dass insbesondere wir Journalisten ein wenig schläfrig drauf seien, vehement zurückweisen. Bisher zumindest.
Nach Lektüre dieser Umfrage von news aktuell unter 1.195 Journalisten bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich diese political-correct-Haltung nicht langsam mal aufgeben sollte. Demnach also sind gerade mal 30 (wiederhole: dreißig) Prozent der Meinung, Themen wie Blogs, Podcasts oder auch social software seien von wirklicher Relevanz. Umgekehrt: Über zwei Drittel der Journalisten denken, es tue sich zwar irgendwie was, stufen dieses irgendwie was aber wahlweise als Hype, irrelevant oder möglicherweise dann doch erst gar nicht vorhanden ein. Interessant insofern, als dass diejenigen, die letztendlich darüber entscheiden werden, was nun relevant ist und was nicht, schon ein ganzes Eck weiter sind. Das können so unterschiedliche Häuser sein wie die New York Times, Rupert Murdochs Newscorp, ProSiebenSat1, ARD und ZDF oder Axel Springer – unter dem Strich steht bei jedem, bei allen Abweichungen im Detail, dass kein Stein mehr auf dem anderen bleiben wird (andersrum gefragt: Ist derzeit überhaupt noch ein Stein dort, wo er mal war?).
Pragmatisch gesagt: Wenn denn der Herr Döpfner beschließt (und derzeit in die Praxis umsetzt), dass das Haus Springer künftig ein digitales sein wird, was wird es wohl dem Springer-Journalisten helfen, wenn der diese Entwicklung einfach negiert? (Am Rande: Wer die Gelegenheit hat, sollte sich unbedingt mal einen Vortrag von Prof. Peter Kruse anhören, ein Neuropsychologe, der sehr amüsant darlegt, warum uns unser Hirn nachgerade häufig zwingt, Veränderungen einfach zu negieren. Es ist also vermutlich nur zu menschlich, wenn man erstmal sagt: gibts nicht, geht nicht, will ich nicht!).
Trotzdem gibt es, bei allem Verständnis für menschliche Regungen, einige Dinge, die nicht so wirklich einleuchten. Beispielsweise, dass wir Journalisten, wenn man es richtig anfängt, inzwischen so gigantische und vielseitige Recherchemöglichkeite und Zugang zu Wissen wie noch nie haben. Und was lesen wir dann? Dass die meistgelesenen Blogs von Journalisten zwei sind, die (weitgehend) von einem Autor, nämlich Stefan Niggemeier, stammen. Disclosure: Dass mich das wundert und nervt, hat weder was mit den Blogs noch mit der Person Niggemeier zu tun, sondern damit, dass es eine Vielzahl lesenswerter Medienblogs gibt, alleine die Freunde von medienlese.com listen jeden (edit) ersten Montag im Monat die 50 meistgelesenen auf. Wir haben es also mit einer enormen Vielfalt alleine schon von Fachblogs zu tun – und de facto monopolisiert Kollege Niggemeier den Medienjournalismus im Internet? Was für eine Bankrotterklärung. Nicht für Niggemeier und nicht für seine Blogs, sondern für die, deren Informationsquellen in der Blogosphäre sich weitgehend auf zwei Blogs eines Autors beschränken. Vielfalt sieht anders aus, aber gut, wenn ihr es selbst so wollt, beschwert euch hinterher nicht…anderswo würden sie sich über Vielfalt freuen.
In Zahlen: Fünf Prozent, lächerliche fünf Prozent des Berufsstandes, die anderen die Welt erklären sollen, nutzen Blogs regelmäßig zur Themenfindung, bei Podcasts sind es gerade mal alberne drei Prozent. Umgekehrt geht man mit den sinkenden Auflagezahlen und den nicht gerade erfreulichen Umsatzentwicklungen von Tageszeitungen relativ entspannt um: 46 Prozent glauben, dass sich Tageszeitungen in den kommenden zehn Jahren wie in der heutigen Form auch präsentieren werden, 21 Prozent glauben gar an eine Renaissance der Tageszeitung. Und deswegen schätzen auch ganz stolze und stramme 81 Prozent die Tageszeitung als eine zuverlässige Informationsquelle ein, was schon ein bissel mehr ist als bei Blogs und bei Podcasts. Wäre ich jetzt böse, aber nur dann, würde ich sagen, dass sich die meisten Produkte der meisten Analogritter denn auch genauso lesen und anfühlen, wie es die Umfrage vermuten lässt.
Die meisten der Befragten waren übrigens zwischen 30 und 50. Spannende Frage (leider ohne Antwort bisher): Sehen das die 20 bis 30jährigen ähnlich?
PS: Darüber wird diskutiert. Nicht nur, aber auch. Nächsten Dienstag in München. Ich freu mich drauf.
ts. merkwürdiges gefühl, da so als quasi-monopolist aufzutauchen.
aber wenn ich die tabelle richtig verstehe, relativiert sich das schnell wieder: für die studie wurden 1195 journalisten befragt. und die zahlen in der „top-blogs“-liste sind, anders als es bei „heise“ steht, angeblich „nennungen“ und nicht prozent-anteile. das heißt: 6 % der journalisten lesen bildblog, 1 % mein blog. das ist aber ein trauriges bonsai-monopol, das ich da habe…
Das erinnert mich an den Berufsstand der Setzer damals und an ihr Gemotze über diese komischen Layout-Programme auf – höhöhö! – einem schwachbrüstigen PC, die an einen echten Qualitäts-Titelsatz auf einer Berthold-Maschine doch niemals heranreichen würden. Heute sind die Setzer ausgestorben …
Erschreckend. Und ich dachte gerade die Kollegen wachen auf! Von dem Artikel lasse ich mich jetzt aber nicht davon abbringen, dass es mindestens in der Radioszene in den letzten Wochen den Anschein eines verschlafenen Aufblinzelns gibt. Hey, das vermutlich zu Unrecht noch mit dem Prädikat schnellstes Medium ausgezeichnete Radio fängt an, was zu checken. Könnte allerdings sein, dass sie auf der Suchen nach der rentabelsten digitalen Plattform in DVB-T, DVB-H, DMB und bla,bla,bla..das Internet wieder aus dem Auge verlieren…;-)
Kleine Korrektur: medienlese.com listet nicht wöchentlich, sondern immer am 1. Montag des Monats die meistgelesenen deutschsprachigen medienblogs auf.
Mit keineswegs kleinkarierten Grüßen
is
@stefan: Maybe, aber dann rechne mal nach, auf welche Promillezahlen andere Medienblogs kommen…
@is: Korrekt, jeden ersten Montag im Monat. Ich war zu sehr in Rage. Ist korrigiert.
na, dass es ein trauerspiel ist, so oder so, ist ja keine frage. aber es ist doch eher nicht so, dass die ganzen kollegen sich aus 1-2 blogs vom teilweise selben autor informieren („monopol!“), sondern aus 0 blogs.
Der Begriff „Monopol“ ist meiner niederbayerischen Bierzelt-Mentalität geschuldet. Nennen wir es also so: die meisten aus null Blogs, die paar wenigen, die Blogs checken, mit sehr eingeschränkter Auswahl, Podcasts et al spielen so gut wie gar keine Rolle.
@is: Radio wacht auf? Echt jetzt :-)?