Ich habe in den vergangenen Tagen immer wieder mal drüber gegrübelt, warum sich insbesondere Zeitungshäuser mit dem Thema Bloggen und Blogger so schwer tun. Ich habe mit Zeitungsleuten darüber diskutiert, warum die meisten ihrer Redaktionsblogs veritable Langweiler sind und warum es ihnen einfach nicht gelingt, in der Szene als relevant wahrgenommen zu werden.
Es gab eine ganze Reihe von Gründen, die mir einfielen (und die sind zu lang, als dass ich sie hier mal eben quick and dirty aufschreiben wollen würde). Aber einer ist mir inzwischen als der wichtigste in meiner privaten Liste markiert: Eigentlich mögen wir Journalisten uns Blogger nicht (klingt deshalb so schizophren, weil ich beides bin). Eigentllich sehen wir Journalisten uns Blogger als lästiges, quälendes Anhängsel, das sich alle Freiheiten rausnimmt, das alle in Frage stellt, was wir Journalisten in den letzten Jahrzehnten als publizistischen Standard aufgebaut haben. Und insgeheim kratzt uns Journalisten, vor allem die, die wir schon ein paar Tage im Geschäft sind, dass wir unsere schöne Bühne jetzt mit anderen teilen müssen, dass wir nicht mehr die allein seligmachenden Gatekeeper, die priveligierten journalistischen Stadtpfarrer sind. Nein, stattdessen kommen Blogger, machen sich mit ein paar Mausklicks eine eigene Seite auf und geben zu alles und zu jedem ungefragt unseren Senf dazu. Das nervt. Das will keiner und deswegen sagen wir Journalisten über uns Blogger: Das BRAUCHT keiner.
Natürlich können wir Journalisten unseren Unbill über uns Blogger nur schwerlich so ehrlich nach außen kommunizieren. Wir können nicht einfach sagen: Das nervt. Haut ab. Wir wollen, dass alles wieder so ist wie früher. Wir können ja schlecht für publizistische Vielfalt eintreten und sie imer wieder vehement einfordern, um sie auf der anderen Seite wieder einschränken zu wollen (auch wenn wir es gerne täten). Stattdessen müssen wir die Kuschelkater geben und sanft irgendwas schnurren von journalistischen Standards und Seriösität und davon, dass wirkliches Einordnen von Informationen nur von uns Journalisten gemacht werden kann und nicht von uns Bloggern (puh…hartes Leben als Schizophrener, stelle ich gerade fest).
Nur ab und an, wenn wir so gar nicht mehr an uns halten können, beispielsweise auf Podien von Medienforen, da bricht es aus uns heraus. Da fordern wir dann mal irgendwann, man solle diesen vermaledeiten Bloggern einfach mal den Mund verbieten und eigentlich könnte man ihnen doch konsequenterweise auch gleich ein paar Grundrechte entziehen:
„Blogger verdienen nach meiner Ansicht nicht den Schutz des Artikel 5.“
Sagt Stephan Holthoff-Pförtner aus einer der Eigentümerfamilien der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ auf einem Forum bei den Medientagen in Köln. Und bringt damit, vermutlich ungewollt, die Sache auf den Punkt – nämlich wie etablierte Journalisten, wie insbesondere Zeitungen über Blogger und diese ganze vermaledeite Ansammlung von neuer Medienwelt wirklich denken.
Schön, dass das mal geklärt ist. Grundrechte nur für Journalisten und noch besser nur für Zeitungen – alles andere hält besser den Mund und hat zufrieden zu sein, wenn es mal in einem (gekürzten) Leserbrief zu Wort kommt: So tickt und denkt die Holzklasse. Und nichts kann ihren drohenden Exitus und seine Ursachen schöner beschreiben als diese eine, kleine und vermutlich sogar unbedachte Äußerung.
Voll ins Schwarze getroffen, wie ich meine.
Halte ich für eine komplett falsche These. Die meisten Redaktionsblogs sind schlicht Opfer zweier Eigenschaften: eine Redaktion ist keineswegs frei sondern in die ganz alltäglichen Zwänge eines Verlages eingebettet.
Das begrenzt zum Einen die Möglichkeit so freier Rede, wie man es gerne wollen würde. Und diese Schere im Kopf, die man nach außen meist nicht hat, wenn man Artikel schreibt, sie ist omnipräsent.
Gleichzeitig ist schönes Bloggen – und Journalisten sind ja häufig auch Perfektionisten – auch mit viel Zeitaufwand verbunden. Wie man den im Redaktionsalltag unterbringen soll? Schwierig.
@Falk: Kein Widerspruch – das eine schließt das andere ja nicht aus.
Ich werde zuweilen von Onliner-Kollegen gefragt, warum unser Redaktionsblog Quote macht (in bescheidenem Rahmen, aber doch zufriedenstellend), während man selbst nicht so dolle Erfahrungen gesammelt hätte.
Meine Standard-Antwort: Wir haben Spaß am bloggen, sehen es nicht als Pflicht im Web-2.0-Zeitalter an. Das ist schon alles. Dass meine Kollegin und ich gleichzeitig noch Presseausweise besitzen, ist in diesem Zusammenhang völlig irrelevant.
Ich glaub nicht, daß Besitzstandsangst bei den Berührungsängsten der Zeitungsredakteure eine Rolle spielt, oder die Tatsache, daß Journalisten ihre schöne Bühne jetzt mit anderen teilen müssen.
Eher vielleicht Eitelkeit: Warum soll ich meine ganze Mühe auf ein Medium verwenden, mit dem ich ein paar hundert, bestenfalls ein paar tausend user erreiche, während mein Zeitungsartikel potenziell hunderttausende Leser findet? Was kann in der Kommunalpolitik ein Blog bewegen und was ein scharfer Kommentar auf den Lokalseiten? Wo wird für mich Erfolg eher spürbar – im weltweiten Web oder in der Lokalredaktion?
>>Meine Standard-Antwort: Wir haben Spaß am bloggen, sehen es nicht als Pflicht im Web-2.0-Zeitalter an.
Yeas, that´s it! So einfach und doch so schwierig.