Komisch, dass bei diesen ganzen Web 2.0-Debatten dauernd Dinge zusammengeworfen werden, die nicht zusammen gehören. Interessantes Beispiel: die aktuelle Aufmachergeschichte im Medienressort des Spiegel. Da heißt es sinngemäß, das Mitmach-Web würde alle zusammen plattmachen, egal ob Fernsehen, Zeitung, Radio. Was damit zusammenhänge, so heißt es weiter, dass die Leute auf einmal die unglaublich große Lust entdeckt hätten, selber Medien zu produzieren und sich nicht mehr von klassischen Journalisten bedienen zu lassen.
Und weil man ja – so hat man das gelernt irgendwo in der Ausbildung oder auf der Journalistenschule – auch in einem Artikel das Prinzip von Rede und Gegenrede einhalten sollte, wird am Ende der Jubelgeschichte über Zwonull und dem Untergangsgerede über klassische Medien als Kontrapunkt Friedrich Küpppersbusch hinzugefügt. Der wiederum sagt, er habe quasi im Selbstversuch festgestellt, dass ziemlich belanglose Sachen eingesendet würden, wenn man die Leute auffordern wrde, selbst zu filmen. Während der Fußball-WM, so Küppersbusch, habe er dreierlei Arten von Filmen bekommen: Ich im Trikot. Meine Frau im Trikot. Mein Hund im Trikot. Weswegen er all den Epigonen des AAL (Andere arbeiten lassen) ein „lustvolles Scheitern“ prophezeit. Wumms, das sollte dann wohl sitzen als Schlusspointe in der Spiegel-Geschichte.
Dabei hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Keine wirkliche Ahnung, was jemanden antreibt, Videos der Kategorie „Ich singe unter der Dusche“ zu publizieren, aber es sind im seltensten Fall journalistische Ambitionen. Und noch viel weniger haben die Heerscharen der singenden Leute unter der Dusche die Substanz, daraus ganze Fernsehsendeflächen zu gestalten. Küppersbuschs Erfahrungen decken sich im Übrigen mit denen, die ich während der WM bei einem ähnlich gelagerten Projekt gemacht habe. Außer verwackelter Langeweile kam raus: Ich entdeckte feiernde Brasilianer in der Stadt. Ich entdeckte feiernde Franzosen in der Stadt. Ich entdeckte feiernde Angolaner in der Stadt. Nett. Aber völlig ohne Bedeutung und auch ohne jeglichen Unterhaltungswert.
Das alles ist, kurz gesagt, kein Journalismus. Und es bedroht ihn auch nicht. Jemand, der zuhause einen privaten Diaabend über seinen letzten Urlaub in Kenia veranstaltet, ist keine Konkurenz zu Geo. Was wiederum ja nicht bedeutet, dass man nicht beides gleichermaßen machen und nutzbringend für sich einsetzen kann; den privaten Diaabend und die Lektüre von Geo. Umgekehrt wird allerdings auch kein Schuh und kein Geschäftsmodell draus: Fernsehen basierend auf ein paar privaten Wackelbildern funktioniert nicht. Eine Zeitung ganz ohne professionelle journalistische Begleitung funktioniert nicht. Nichts spricht gegen sinnvolle Ergänzungen durch Leser und Zuschauer, aber auch hier hat Küppersbusch recht: Diejeningen, die ernsthaft inhaltlich und journalistisch interagieren wollen, sind eine verschwindende Minderheit.
Wo dann die Hunderttausende täglich im Netz betrachteten Videos versanden? Das ist etwas anderes. Das ist Spaß auf Abruf, eine moderne Variante von Pleiten, Pech und Pannen. Mit Citizen Media hat das Null zu tun. Und selbst hartgesottene Nutzer dessen freuen sich, wenn sie dann irgendwann mal wieder halbwegs professionell gemachte Filmbeiträge vor die Augen bekommen.