Als die Dinger gerade populär wurden, habe ich bei all meinen Seminaren und sonstigen öffentlichen Auftritten RSS-Reader demonstriert und sie gepriesen. Als die Zukunft des personalisierten, klar strukturierten, effizienten und stringenten Medienkonsums. Einfach zu bedienen und extrem nutzwertig. Kein langes Surfen mehr. Nur noch Nachrichten abrufen. Und zwar die, die ich will.
In den letzten Tagen neuen Rechner aufgesetzt. Jetzt erst bemerkt, dass ich gar keinen Reader installiert habe. Aus völlig unlogischen und dennoch nicht zu unterschätzenden Gründen.
Erstens: Ich WILL surfen. Ich will niemanden, der mir das abnimmt, auch wenn es noch so gut gemeint ist. Ich will im Auto ja auch schalten, obwohl eine Automatik vermutlich bequemer ist. Ich will Medien selbst entdecken. Ich will keine Maschine, die das für mich tut.
Zweitens: RSS-Reader erzeugen bei mir permanente Minderwertigkeitskomplexe und das Gefühl, mal wieder nichts geschafft zu haben. Es ist ein kleines bisschen deprimierend, wenn einem der Reader permanent mitteilt, man habe da noch so ungefähr 173 ungelesene Geschichten rumliegen.
Und wie schon bei Web 1.0 beschleicht mich jetzt auch bei Bubble 2.0 das Gefühl, dass nicht alles, was technisch machbar und rationell erklärbar ist, auch gut sein muss. Zumindest für mich nicht. Ich gönne jedem seine personalisierte Nutzung von Inhalten und seinen chicen Reader. Mir kommt jedenfalls keiner mehr auf die Platte. Ich lasse mich doch nicht von einer Maschine dominieren.