Natürlich müssen das wirklich harte Tage für die „Berliner Zeitung“ gewesen sein. Ein neuer Eigentümer, ein Chefredakteur, der sich verabschiedet und ein neuer, ungebliebter Chefredakteur, der bisher eher durch Aktivitäten im Boulevard auffällig wurde anstatt durch Journalismus bei Qualitätsblättern. Und ein solches will die „Berliner Zeitung“ ja sein.
Was ich aber bei alledem nicht verstehe, sind die Klassenkampf-Argumente aus den 70ern, mit denen die Redaktion argumentiert. Der neue Chef erwartet Rendite? So what…entweder du wirst als Journalist ein öffentlich-rechtlicher Rundfunker oder aber du musst dich mit dem Thema Rendite auseinandersetzen. Die Frage mag berechtigt sein, mit welchen Mitteln diese Rendite zu erreichen sei. Aber Sätze wie der, dass man eine Renditevorgabe „nicht kenne und nicht wolle“ zeugen von herzerweichender Naivität. Vermutlich sind das dann auch die selben Leute, die bei Stellenkürzungen wegen mangelnder Rentabilität sofort auf die Straße gehen und Mahnwachen halten. Abgesehen davon, dass ich nicht verstehe, warum Rendite etwas Negatives sein soll. Es gibt genügend Beispiele, wo wunderbare, anspruchsvolle Medienprojekte auch ebensolche Renditen abwerfen. Das schließt sich keineswegs aus.
Und manchmal muss man über Bitteres auch nachdenken dürfen. Ich kann nichts Ketzerisches daran entdecken, wenn jemand die Zahl von 12 Planstellen (!) im Feuilleton zumindest zur Disposition stellt, wenn gleichzeitig im Vermischten eineinhalb Leute ihr Dasein fristen. Deswegen wird aus der Zeitung noch lange keine „Bild“. Und beim Thema Feuilleton denke ich in letzter Zeit mit großer Vorliebe an die Ergebnisse des Reader Scan, wo diese Seiten auf null Prozent Quote kamen. (Jaaahaaa….liebe Feuilletonisten….ist ja gut, nicht aufregen, niemand nimmt euch euer Spielzeug weg.)
Was mich zu dem Gedanken bringt, dass Digitalisierung auch analoge Medien unter Zugzwang setzt. Wenn ich heute schon einzelne Videos nach Schlagworten absuchen kann, wenn ich Programme ganz nach meine Gusto erstelle, wenn in der Konsequenz zu Ende gedacht nur noch zählt, was ich will, was mich interessiert, dann kann ich mich als Journalist, der seine Arbeit halbwegs ernst nimmt, der Diskussion darüber, welche Inhalte das Publikum überhaupt will und wahrnimmt, nicht verschließen.
Und das hat dann wirklich gar nichts mit Kommerzailisierung zu tun. Nur mit Berufsauffassung.
PS: War ja klar: Der DJV ist den kämpfenden Kollegen bereits beigesprungen. Manche Reflexe funktionieren wirklich sehr zuverlässig.