zwei überaus lesenswerte beiträge zum vermutlich spannendsten thema 2006: print vs. online. thomas knüwer bespricht in seinem blog ein radikal-posting von jeff jarvis, der „the last presses“ herannahen sieht. beide mit guten argumenten, so dass ich in dieser frage immer noch ziemlich zerrissen bin.
wenn ich mal die ganzen debatten über potenzielle business-modelle aussen vor lasse und die sache aus journalistischer sicht heraus betrachte, dann komme ich immer wieder zu dem ergebnis, dass diese debatte bei denen, die sie eigentlich führen müssten, noch nicht wirklich angekommen ist: nämlich bei den journalisten der über 300 tageszeitungen in deutschland. ich lege meine hand dafür ins feuer, dass die frage, wie sich tageszeitungen künftig journalistisch aufstellen müssten, in 90 prozent der redaktionen noch gar nicht geführt wird. ich bin immer wieder erstaunt, wenn sich die online-kenntnisse selbst von chefredakteuren und ressortleitern nicht gerade kleiner blätter auf google beschränken (und damit meine ich lediglich die konventionelle suche).
dementsprechend kann ich in den inhalten der meisten zeitungen noch keine wirkliche veränderung feststellen. nur ein banales beispiel: wenn morgen die meisten tageszeitungen im sport wieder mit dem verweis erscheinen, die spiele der champions league seien „bis redaktionsschluss noch nicht beendet“ gewesen, dann signalisieren sie – aus alter gewohnheit, weil man das schon seit den 60er jahren so macht – unfreiwillig, dass sie weder in der lage noch gewillt sind, den kampf mit dem schnelleren elektronischen medium aufzunehmen. wenn sie gleichwohl sich nicht bemühen, ihre inhalte so umzustellen, dass sie mit analysen, hintergründen und kommentaren ein relevantes adäquat zur mangelnden aktualität bieten, wird ihre bedeutung und letztendlich auch ihre ökonomische basis künftig gen null tendieren (was womöglich auch damit zusammenhängt, dass die meisten journalisten sich aus alter attidüde heraus immer noch weigern, sich mit ökonomischen zusammenhängen auseinanderzusetzen).
in dem zusammenhang erstaunen mich auch immer wieder regionalzeitungen. kein mensch liest die wegen ihres mantelteils, wegen ihrer politik- oder wirtschaftsseiten. ihr usp (um schönstes neudeutsch zu verwenden) ist das lokale. und das lassen die allermeisten wunderbar verkümmern. warum versucht sich eigentlich keiner mal mit einer radikal lokalen zeitung? das könnte ein weg sein. das feuilleton des, sagen wir, remscheider general-anzeigers ist publizistisch kaum so relevant, als dass man es derart prominent pflegen müsste, wie es die generalanzeiger dieser republik so tun. das können die sz und die faz – und die wiederum liest man ja nicht wegen ihrer herausragenden lokalen kompetenz.
wobei mir dies ein kernproblem aller lokalen medien zu sein scheint – offenbar betrachten die ihre beschränkung auf ein lokales publikum als makel. wie sonst wäre es erklärbar, dass selbst in den flensburger nachrichten der leitartikler mit seiner meinung zur regierungsbildung im irak intern höheres ansehen geniesst als der schwarzbrot-journalist, der mit seinen stadtratsberichten den lokalteil füllt? und wie sonst erklärt es sich, dass selbst ein lokaler klein-sender wie muenchen.tv politische gesprächsrunden sendet, in denen man der frage nachgeht, wie die ersten auftritte der neuen kanzlerin zu bewerten seien?
insofern sehe ich für die kommenden jahre weniger die großen blätter gefährdet als vielmehr die generalanzeiger, glocken und heimatnachrichten. auf dauer wird es nicht genügen, einen letztendlich zweitklassigen überregionalen teil mit lokalteilen zu garnieren, in denen hausfrauen und pensionierte oberstudienräte „berichte“ schreiben, die außer ihnen selber keiner liest. und nur mal so am rande, im wissen, dass es hypothetisch ist: sollten nicht in den lokalredaktionen die top-journalisten einer regionalzeitung sitzen? stattdessen werden diejenigen, die nach 10 oder 15 jahren immer noch im lokalen sitzen belächelt – von denen, die hauptamtlich agenturen redigieren.
und was crossmediale modelle (wieder so ein unwort) angeht: ich fürchte, die große graue masse der deutschen tageszeitungen hinkt entwicklungen um jahre hinterher. der denkansatz ist immer noch: was die anzeige in der zeitung, das ist der banner auf der website. platz gegen geld. viel platz gegen viel geld, wenig platz gegen wenig geld. währenddessen schwingt sich google zum weltweit größten anzeigenverkäufer auf. und braucht dafür nicht mal ne anzeigenabteilung.