zum festen oldmedia-selbstverständnis und der klassischen journalistenausbildung gehört, dass der zeitungsleser um seine meinung quasi nie gebeten wird. von einigen zumeist als alibi verwendeten leserbriefspältchen abgesehen, kommen lesermeinungen und interaktionen mit der werten kundschaft de facto nicht vor. klare linie: wer seine meinung äußert, ist „die zeitung“. wer in form eines leserbriefs eine replik veröffentlichen kann, darf sich geschmeichelt fühlen.
dass man zur meinungsfindung innerhalb der redaktion VOR einer kommentierung die leser einbezieht – nach diesem selbstverständnis völlig undenkbar und in deutschland (vorsicht, es folgt ein bewusster verstoß gegen die grammatik) noch undenkbarer. oder kann sich irgendjemand wirklich vorstellen, wie in einer redaktionskonferenz einer durchschnittlichen deutschen tageszeitung ernsthaft darüber nachgedacht wird, was ein leser denken könnte?
anders, mal wieder, in den usa. dort, wo man großteils erkannt hat, dass elektronische medien auch eine echte chance für die altherkömmlichen zeitungen sein können, darf sich der leser beispielsweise in seattle schon während der redaktionskonferenz an der meinungsfindung beteiligen.
teilhabe an der eigenen zeitung – klingt quasi basisdemokratisch. und würde hierzulande vermutlich fast jedem chefredakteur einen schauer über den rücken jagen.
wo kämen wir denn da hin?
mir ist hier (bei san jose mercury news) was aufgefallen: nicht nur, dass leser-feedback permanent kommt und sofort weitergereicht wird an die redakeure.. es macht sich auch keiner lustig über die leser. dieses „höhö“, zu dem wir in deutschland ja manchmal neigen, wenn wir ehrlich sind, das geht hier garnicht. leser-teilhabe wird eher als essentielles frühwarnsysstem begriffen, um abo-kündigungen zu verhindern. in der kantine läuft ein ticker über dem buffet mit der tagesaktuellen entwicklung der auflage… wie ich an anderer stelle schon sagte: you better start running.