Zumindest eines muss man den „Krautreportern“ ja lassen: Ihr absehbares Scheitern hat eine der intensivsten und anhaltendsten Diskussion über ein einzelnes Projekt ausgelöst. Natürlich ist es noch nicht ganz vorbei, wenn sich in den kommenden drei Tagen noch ein bisschen mehr als 7000 Abonnenten finden, dann wird es doch noch was aus dem Magazin. Das aber wäre tatsächlich der fulminanteste Endspurt aller Zeiten und ein Grund für ein paar weitere lang anhaltende Debatten.
Realistisch ist eher das folgende Ergebnis: Die Krautreporter werden ihr Ziel nicht nur nicht erreichen – sie werden es vermutlich in einer erstaunlichen Deutlichkeit verfehlen. Und noch etwas haben die Krautreporter geschafft: Ich habe schon lange kein Projekt mehr erlebt, das mehr Ambivalenz hervorgerufen hat. Bei dem Menschen ihre Positionen – oder besser gesagt: die Positionen, bei denen man sie vermutet hatte – radikaler gewechselt haben. Und auch für mich selber kann ich sagen: Ich hätte mir grundsätzlich sehr gewünscht, dass ein Projekt wie die Krautreporter funktioniert hätten. Ich würde mir auch weiterhin wünschen, dass man ein solches Projekt auf die Beine stellt. Aber – so viel zur Ambivalenz: Ich bedaure es nicht, dass es die Krautreporter in ihrem jetzigen Zustand wohl nicht geben wird. Obwohl ich zu Beginn des Projekts etwas anderes geschrieben hatte.
Natürlich sind hinterher immer alle schlauer. Und natürlich weiß ich auch (ich habe selbst eine erfolglose Crowdfunding-Kampagne hinter mir), dass man sich als Außenstehender mit Kritik immer leicht tut. Trotzdem fand ich verblüffend, wie offensichtlich wenig durchdacht und mit welcher überheblichen Attitüde teilweise an dieses Projekt herangegangen wurde.
Fangen wir mal an mit dieser Attitüde. „Der Online-Journalismus ist kaputt“, schreiben die Krautreporter sehr prominent auf ihrer Seite – und tappen dabei gleich in zwei Fallen. Zum einen ist diese Aussage in ihrer Absolutheit so falsch, wie es nur absolute Aussagen sein können. Niemand bestreitet, dass es eine ganze Reihe von weniger schönen Erscheinungen im (Online-)Journalismus gibt. Aber der Online-Journalismus ist kaputt? Ach, Leute. Wenn ich mir so anschaue, was ich alleine in den letzten zwei Wochen an Stücken gefunden habe bei süddeutsche.de oder bei ZEIT Online, wenn ich mir die Nominierungen bei Grimme Online Award so ansehe oder noch eine ganze Reihe andere Sachen, die man nicht täglich in den diversen Mediendiensten als leuchtende Beispiele findet – dann würde ich sagen, dass es zu viele Gegenbeispiele gibt, als dass man diese Aussage einfach mal eben so hinwerfen könnte.
Aus dieser absoluten Aussage resultiert noch etwas anderes. Ich würde sogar soweit gehen, dass dies die Krautreporter enorm viele Sympathien gekostet hat: Wer den Online-Journalismus als „kaputt“ darstellt und gleichzeitig von sich sagt: „Wir bekommen das wieder hin“ – der stellt sich selbst auf einen Sockel mit ganz enormer Fallhöhe. Ich habe eine ganze Reihe geschätzter Kollegen erlebt, die ich zu den sicheren Unterstützen gezählt hätte, die aber einfach angefressen waren, wenn sie sich als Vertreter eines „kaputten“ Journalismus bezeichnen lassen mussten, die sich jetzt von 27 Kollegen retten lassen müssen. Ich habe in meinem Leben jede Menge Beratungs-Projekte gemacht. Wenn ich mich auch nur einem einzigen hingestellt und gesagt hätte: Euer Journalismus ist kaputt, aber ich kriege das wieder hin, ich wäre sofort hochkant rausgeflogen.
Ein riesiges Eigentor war diese Grundhaltung für die „Krautreporter“ aber auch aus anderen Gründen: Wenn man sich selbst als Retter des kaputten Journalismus geriert, dann müsste schon etwas verdammt Überzeugendes folgen. Ein Konzept, eine Idee, bei der ich, überspitzt gesagt, nach Luft schnappe und sage: Ja! Das ist es! Die Außenwirkung der Krautreporter ist, wenn auch vielleicht ungewollt: Gebt uns mal das Geld, dann machen wir. Dafür ist allerdings die Idee, jeden Tag vier bis fünf Geschichten zu schreiben, ein wenig dünn. Irgendwann lieferte man dann, als die Kritik daran zu groß wurde, pflichtschuldig noch Vorschläge für die Themen eines jeden Autors ab. Das kam viel zu spät, klang eher unverbindlich – und ganz ehrlich: Diese Themenliste war nett. Aber dass ich darin die Rettung des kaputten Online-Journalismus hätte erkennen können, lässt sich wirklich nicht sagen. Viele andere haben das offenbar auch nicht. Zumindest im Aufkommen der Crowdfunder hat sich auch nach Veröffentlichung dieser Liste nichts Erkennbares getan. Vielleicht hat das auch damit zu tun, weil man die ganze Zeit während der laufenden Kampagne das Gefühl hatte, die Krautreporter kämen den Wünschen nach Interaktion, nach Initiative und nach Transparenz mehr oder weniger nur widerwillig nach. Selbst prominente Unterstützer wie Thomas Knüwer oder Dirk von Gehlen spendeten zwar, erklärten gleichzeitig aber auch, mit welchem Bauchgrimmen sie das tun. Auch beim Thema Erwartungsdruck habe ich an eigene Erfahrungen gedacht. Ich war 2011 im Gründungsteam der deutschen „Wired“ dabei. Und ich erinnere mich nur zu gut, welchem Erwartungsdruck wir ausgesetzt waren; mir war manchmal ganz übel, wenn ich die erwartungsfrohen Beiträge im Netz so gelesen habe. Wir haben damals versucht, mit so viel Kommunikation und Transparenz wie möglich ein bisschen Druck aus dem Kessel zu lassen. Hätte sich der damalige Chefredakteur Thomas Knüwer in einem Interview hingestellt und gesagt: Unser Konzept besteht aus einem Magazin, in dem gute Autoren gute Geschichten schreiben, man hätte ihn massakriert und uns in der Isar versenkt. Wir haben damals nach dem Release immer noch ausreichend Prügel bekommen, manche sogar zurecht. Aber wenn wir mit dieser Attitüde der Krautreporter aufgetreten wären, wir würden heute vermutlich alle irgendwie im Exil leben.
Neben dem vermutlich eher psychologischen Aspekt der Fallhöhe haben die „Krautreporter“ mit diesem Konzept, mit dieser Idee auch anderes nicht geschafft. Nämlich eine ausreichend große Zahl von Menschen davon zu überzeugen, dass man sie wirklich braucht. Das ist insofern ebenso erstaunlich wie ärgerlich, weil es in den letzten Jahren in Deutschland kein einziges Medienprojekt gegeben hat, das auf so viel grundsätzliche Sympathie, auf so viel Wohlwollen und auch auf soviel Airplay in den Medien gestoßen wäre. Die „Krautreporter“ bringen es auf TV-Beiträge, Rundfunkbeiträge, auf Zeitungsbeiträge, auf sehr, sehr viele prominente Unterstützer – und das Netz war eh jeden Tag voll mit ihnen. Wenn man es bei einem solchen Rückenwind nicht mal in die Nähe des Funding-Ziels bringt, dann muss man einfach festhalten, dass einiges an der Idee und an der Kampagne nicht überzeugt hat.
Zu den Schwächen des Konzepts gehört auch: 27 Journalisten sind 27 Journalisten. 27 Journalisten sind noch lange keine Redaktion. Dabei ist mir der Frauenanteil völlig Wurscht. Selbst wenn er bei 100 Prozent gelegen wäre: Hinter den 27 verbarg sich nicht die Idee eines Teams, das man irgendwann auch mal als Team identifiziert. Stattdessen kamen die Krautreporter eher wie ein Multiautoren-Blog daher, in dem jeder ein bisschen was schreibt. Magazine leben aber eben auch von der Marke. Und von einer Haltung, für die ein Magazin steht. Ich lese den „Spiegel“ oder die „FAZ“, weil es der „Spiegel“ oder die „FAZ“ sind. Ich lese sie nicht, weil dort im Impressum eine Auflistung bekannter Namen steht. Das kommt dann erst an zweiter Stelle.
Davon abgesehen möchte ich bei einem Magazin (da bin ich ein alter, konservativer Sack) eine Struktur haben. Ich möchte in etwa wissen, wo ich welche Themen finden kann. Oder genauer: welche Themen mich überhaupt erwarten. Die Aussage bei den „Krautreportern“ war: 27 Leute schreiben, worauf sie gerade Bock haben. Und das soll die Rettung des Online-Journalismus sein?
Und weil wir gerade beim Thema (Mehr-)Wert sind: Ich hatte schon in meinem ersten Beitrag über das Thema geschrieben, es werde spannend sein zu sehen, wie man dem Leser erklären will, warum er die Krautreporter unterstützen soll, wenn er die Beiträge ihrer Autoren auch auf etlichen anderen Plattformen lesen kann. Das spricht ja keineswegs gegen die Qualität der Autoren, wohl aber gegen die Krautreporter: Es fehlt ihnen so etwas wie Exklusivität.
Auch da hilft ein Blick in die analoge Welt: Angenommen, 30 Edelfedern aus den besten Redaktionen Deutschlands würden ein Magazin ankündigen, in dem sie immer wieder mal Beiträge ankündigen. Aber natürlich schreiben sie weiterhin auch für ihre bisherigen Arbeitgeber. Der Reiz würde sich in engen Grenzen halten.
Man muss – leider – diese konzeptionellen Schwächen deshalb so klar benennen, weil wir gerade dabei sein, das Entstehen einer kleinen Dolchstoßlegende zu erleben: Das Netz hat die eigenen Pioniere, die eigenen Vorkämpfer von hinter erstochen! Man hat sie hängen lassen, obwohl wir immer gefordert haben, dass es so etwas doch geben müsste! Bei netzpolitik.org beispielsweise ist schon die Rede davon, dass „uns“ ein Scheitern vor Augen führen würde, dass wir nicht mal in der Lage seien, uns „diese Utopie in unserer eigenen kleinen Nische zu errichten indem wir 15.000 Menschen finden, die bereit sind, einen lächerlichen Fünfer pro Monat für ein Experiment beizutragen.“ Und schließlich kommt die bedeutungsschwangere Frage: „Können wir als Netzgemeinde™ uns ein Scheitern dieses Projektes überhaupt erlauben?“. Vermutlich wird dann irgendwann auch jemand auf die Idee kommen, dieses Scheitern als Beleg dafür zu nehmen, dass Menschen für Journalismus im Netz eben doch nichts bezahlen wollen.
Das alles ist im vielfachen Sinne falsch. Diese „kleine Nische“ dürfte es vor allem deswegen nicht geben, weil die Nischengründer es nicht geschafft haben, diese Idee überzeugend auszugestalten. Was ist das eigentlich für eine fatale Geisteshaltung zu glauben, man müsse ein Projekt unterstützen, nur weil es von den vermeintlich richtigen Leuten gemacht wird? Zudem benennt dieser Netzpolitik-Beitrag ungewollt noch eine weitere Schwäche des Projekts: Es ist ein Netzgemeinden-Projekt. Aus der Netzgemeinde für die Netzgemeinde. Kann man schon machen, das. Man sollte dann halt nur nicht glauben, dass es zur Rettung des kaputten Journalismus irgendwas beiträgt.
Natürlich kann man zum Thema Zahlungsbereitschaft aus der Krautreporter-Geschichte einiges lernen. Nämlich, dass Menschen im Netz ganz einfach ticken: Sie zahlen für etwas, was sie gut finden. Für etwas, was ihnen im wahrsten Sinne des Wortes „wertvoll“ erscheint. Kommt ihnen das nicht in den Kopf, zahlen sie nicht. So einfach, so mündig. Und man ahnt jetzt auch anderes. Nämlich, wie schwer es in Zukunft sein wird, Journalismus über Bezahlung durch den Leser zu finanzieren. Der nämlich hat ein inzwischen riesiges Angebot und muss keineswegs schon alleine deshalb glücklich sein, weil ihm 27 Autoren ankündigen, etwas schreiben zu wollen.
Um es also nochmal deutlich zu sagen: Das Scheitern der Krautreporter ist ein Scheitern der Krautreporter. Nicht mehr, nicht weniger.
War es das also, wie einige befürchten, auf längere Zeit mit der Finanzierung unabhängiger und alternativer Journalismus-Projekte? Unsinn. Ich bin sicher, dass eine Art Krautreporter2-Projekt sofort wieder auf viel Sympathie stoßen würde. Dass es den Wunsch danach gibt, zeigt die ja dann trotz allem sehr hohe Zahl von Unterstützen. Und die vielen Debatten darüber. Man debattiert nicht über Dinge, die einen kalt lassen.
Wer clever ist – lernt einfach aus den vielen Fehlern dieses Versuchs. Und macht es irgendwann dann mal selbst. Nur besser.
(Für den Fall, dass die Krautreporter ihr Ziel doch noch erreichen, haben sie dann ja gleich eine gute Aufgabe: Aus der vielen Kritik, die es gab, ihre Schlüsse zu ziehen.)
Viel wahres drin. Mich störte am meisten, dass die 27 mit ihrer Person und den bisherigen Veröffentlichungen in den Medien posen, denen Sie kaputten Journalismus vorwerfen.
Ja, der Journalismus ist kaputt. Online, wie offline. Aber der Grund dafür ist, das aus Gatekeepern an vielen entscheidenden Stellen mittlerweile Interessenkeeper geworden sind.
Wer Erfahrung hat, wird zum Problem und durch jüngere, noch unkritische Kollegen ersetzt, um Linien durchsetzen zu können, die sonst an einer über Jahre gewachsenen Fachkenntnis zerbrechen.
Das KRAUTREPORTER – Relaunch Team muss nun noch mal kritisch an sich arbeiten. Der Achtungserfolg, mindestens die Hälfte es angestrebten Kreises erreicht zu haben ist bemerkenswert.
Tatsächlich viel Wahres drin.
Allerdings glaube ich, dass dieses „Sockelproblem“ nur Leute als solches wahrnehmen, die selbst beruflich in den Medien unterwegs sind. „Der Onlinejournalismus ist kaputt“ könnte als „Stammtischparole“ für Außenstehende nämlich durchaus funktionieren. Nur – und darin sehe ich einen Hauptgrund fürs wahrscheinliche Scheitern – hat man keine Außenstehenden erreicht.
Alle Besprechungen, Diskussionen und Streitgespräche fanden in der Medienblase statt; die, für die Krautreporter laut Ansage eigentlich sein soll, waren kaum involviert.
Natürlich ist es gar nicht so einfach, so ein Projekt an den Ottonormalverbraucher zu bringen (zumal man zuvor den Kollegen der dabei hilfreichen „Massenmedien“ ordentlich ans Bein gepinkelt hatte). Aber wenn sich dann mal einer auf die Seite der Krautreporter verirrt, sollte man es ihm doch möglichst leicht machen, das Projekt zu verstehen. Tatsächlich spricht aber fast alles, was es da zu lesen gibt, vorrangig die Bedürfnisse von Medienmachern an. Gleich die Startseite liest sich aus Journalistensicht wie eine Stellenbeschreibung aus dem Wunderland. „Wow! Unter solchen Bedingungen würde ich auch gern mal arbeiten.“
Da würde ich dir kaum widersprechen wollen. Trotzdem noch eine Anmerkung: Ich kenne kein Projekt in den letzten Jahren, das so viele Menschen außerhalb unserer Digitalen Blase erreichen hätte können. Die waren auch in so undigitaen Medien wie der Tagesschau oder der Abendschau im RBB vertreten. Und wer schafft das sonst schon?
Und das alles stellt dann ja auch noch eine ganz simple Frage: Kann es sein, dass außerhalb unserer Filter Bubble die Menschen den Journalismus als gar nicht so kaputt empfinden?
Sehr gute Analyse. Ein wesentliches Problem war/ist auch die Tatsache, dass die Texte der Krautreporter (alleine schon der Name ist derart infantil) auch für Nichtzahler zugängig gewesen wären (ich gehe jetzt mal vom Scheitern aus). Der „Mehrwert“ der Zahler hätte sich auf das Kommentieren und irgendwelche obskuren Begegnungen erstreckt. Hinzu kam, dass substanzielle Kritik fast schon als Majestätsbeleidigung aufgefasst wurde. Ein wesentliches Problem war aber m. E. dass mit 900.000 Euro eine Größenordnung angepeilt wurde, die doch eher verstört. Natürlich sollren Journalisten für bzw. von ihrer Arbeit leben können, aber di Dimension, die hier aufgerufen wurde, war eine Nummer zu gross. Man hätte mit weniger Leuten kleiner anfangen und sich dann sukzessive entwickeln können. – Die „Themenliste“ war auch nicht wirklich „nett“; bis auf zwei Ausnahmen war das für mich Realsatire.
@cjakubetz: Ganz genau. Und da sind wir meiner Meinung nach wieder bei einem Grundsatzproblem des journalistischen Wandels. Nicht wenige unserer Zunft sitzen noch immer auf einem hohen Ross, von dem aus sie glauben überblicken zu können, was die Masse lesen/sehen/hören will. Viele predigen zwar richtigerweise das Gegenteil (z. B. Richard Gutjahr in seinem Beitrag zur Zeitungs-Zukunfts-Debatte auf SPON), in der Praxis machen wir aber noch immer viel zu viel „aus dem Bauch heraus“.
Auch KR hat diesen Fehler begangen. Zunächst hieß es nur: Spendet ihr mal, wir werden dann liefern, was euch schon viel zu lange gefehlt hat. Die Umfrage darüber, was die Unterstützer denn wirklich lesen möchten, kam meiner Meinung nach viel zu spät.
Hätte bei diesem Projekt tatsächlich von Beginn an die Crowd mit ihren Bedürfnissen im Fokus gestanden, dann wäre KR wirklich innovativ und etwas Neues gewesen. Etliche Journalisten sind es eben (noch) nicht gewöhnt, sich um die Meinung ihrer Adressaten scheren zu müssen. Da hätte man einen echten Schritt nach vorn machen können.
Alles was mir dazu einfällt „Schnellschuss“! Nichts gegen Bauch Entscheidungen aber es geht um fast 1 Million Euro!!!
In Zeiten wo inflationär mit Milliarden und abermilliarden jongliert wird mag ne Million marginal wirken, aber der Ottonormalleser der sich ansonsten über Pkw Maut in Höhe von 100 Euro pro.jahr aufregt, weil er ahnt dass er den Mehrwert nicht erlebt…fragt zurecht, wofür soll ich Geld spenden wenn ich journalistisch gut bedient werde?
Und mal im ernst, niemand kauft ein Elektroauto nur weil Elektroauto draufgeht und er an die ökologische Idee glaubt…jeder wird fragen, WAS KANN DAS AUTO, WAS EIN ANDERES NICHT KANN!
@cjakubetz: Der Rezipient empfindet alleine ob der gewaltigen Fülle der Artikel, Reportagen und Kommentare nicht unbedingt, dass der Journalismus „kaputt“ ist. Er hat keine Ahnung oder blendet aus, wie die materielle Ausstattung der Journalisten, der freien Schreiber, aussieht.
Pingback: Krautreporter | Pia Ziefle | Autorin
Statt Ambivalenz würde ich in Deinen Falle ja eher von Opportunismus sprechen. Denn von „Ambivalenz“ war in deinem Text vor drei Wochen und dem darauf folgendem, als du Kritiker batest, den Mund zu halten, nichts zu spüren.
Wenn Krautreporter so „offensichtlich wenig durchdacht“ ist, warum fällt dir das erst jetzt auf?
Weil ich eine ganze Zeit lang dachte (und das war von einem Krautis ja auch angekündigt), dass da noch einiges an neuen Ideen und Details hinterher kommt. Und weil ich, zugegeben, dieses reflexartige rumnörgeln schon zu Beginn der Kampagne unpassend fand. Ich hatte damals explizit geschrieben: Jetzt lasst die doch erst mal machen. Drei Wochen später muss ich leider feststellen, dass die nicht sehr viel gemacht haben. Das ist mein Kritikpunkt. Ich stehe allerdings weiter zu meiner Auffassung, dass die damalige Kritik zu früh kam. Und ich stehe auch dazu, wenn ich sage: die Jungs haben alles mögliche verdient. Nur keine Häme.
„Dabei ist das Krautreporter-Projekt sehr viel mehr als nur ein weiterer Anlauf, irgendwas mit gutem Onlinejournalismus in Deutschland zu abonnieren. Es ist auch ein Lackmustest. Für den Onlinejournalismus. Und für uns selbst, für uns selbsternannte Journalismusverbesserer, Netzversteher, Medienerklärer, Digitalmenschen.“
(Christian Jakubetz, 12.5.)
Und plötzlich ist es nur die Schuld der Macher?
Siehe meinen Kommentar zuvor. Ich bin immer noch der Meinung, dass ein solches Projekt eine gute Sache wäre. Und auch die grundsätzliche Idee halte ich für richtig. Nur den Verlauf der letzten Wochen fand ich unbefriedigend. Davon abgesehen: man kann sich in einer Einschätzung auch täuschen. Man muss das hinterher nur einräumen können. Oder hältst du das für so ungewöhnlich?
Lieber Christian,
ich verstehe zahlreiche deiner Kritikpunkte und bin der festen Überzeugung, dass wir vieles hätten besser machen müssen. Und ich muss akzeptieren, dass viele Kollegen sich von dem „kaputt“-Spruch angegriffen fühlen, obwohl das nicht unsere Absicht war. Es ging uns nicht darum, die Arbeit von Kollegen zu diskreditieren, sehr wohl aber um Kritik daran, dass der Online-Journalismus, auf den wir derzeit vertrauen, unter massivem Druck steht, wenn er weiterhin vor allem durch Werbung finanziert werden soll. Dafür können die Journalisten nichts. Aber es betrifft ja ihre Arbeit.
Als freier Journalist muss ich sagen, dass es alles andere als einfach ist, gründlich recherchierte Texte für Online-Medien abzuliefern. Weil die Honorare dafür gar nicht ausgelegt sind. Meine mir selbst gesetzte Regel ist: Texte mit Honorarangeboten unter 100 Euro lehne ich ab, aus Prinzip. Weil ich weiß, dass ich dafür niemals die Arbeit hinkriegen kann, die ein guter Text nunmal benötigt. Und weil das die Honorarsätze für alle unnötig in den Keller drückt, wenn Journalisten plötzlich sagen: 50 Euro reichen mit. (Die Angebote unter 100 Euro sind leider gar nicht so selten.)
Ich mache auch die – ganz anders gelagerte – Erfahrung, dass Redaktionen bei mir anrufen und sagen: Wir hätten da schon eine These zu Ihrem Fachgebiet, können Sie uns den Text dazu schreiben? Wenn ich dann sage, dass die These zwar spannend klingt, ich aber glaube, dass sie so nicht haltbar wäre, ernte ich großes Unverständnis.
Auch etablierte Redaktionen verfahren immer wieder nach dem Prinzip: Erst steht die These, dann beginnt die „Recherche“ – aber was ist das denn für eine Recherche, wenn vorher schon klar sein muss, was am Ende rauskommt?
Ich fürchte, dass in unserem Journalismus schon ein bisschen was angeknackst ist, das kaputtzugehen droht. Ich hab für mich entschieden, dass ich bei Krautreporter dabei sein will, weil ich es spannend fände, einen neuen Weg auszuprobieren, Journalismus zu machen. Die Idee war, zu sagen: „Wir kriegen das wieder hin“ – wenn Leser und Journalisten am selben Strang ziehen, wenn wir ein Medium gründen, das den Leuten gehört, die es lesen. Und nur denen. Offensichtlich haben wir das falsch transportiert. Das ist schade und war ein Fehler, über den ich mich sehr ärgere.
Aber ich bin der festen Überzeugung, dass sich im Journalismus dringend etwas ändern muss. Obwohl in vielen Medien so viele tolle Geschichten erscheinen. Und zwar: Damit künftig noch mehr tolle Geschichten erscheinen können. Ohne Livetickerdruck. Ohne Probieren-wir-mal-Heftig-Überschriften-aus. Einfach nur mit dem Ansatz: Da ist ein Thema, auf das wir neugierig sind – das müsste man doch mal recherchieren. Und dann geht es einfach. Weil es meine Leser mir ermöglichen.
Ich fänd das großartig.
Viele Grüße! Peer
Lieber Peer,
erst mal ein ganz unironisches danke dafür, dass du hier kommentierst.
Vielleicht ist das ja der Grund dafür, dass ich am Ende von eurem Projekt so enttäuscht war. Ich teile in vielen eure Kritikpunkte an den Zuständen im Journalismus. Und ich war wirklich begeistert von der Idee, einen anderen Weg zu gehen. Zumal ich viele eurer Leute wirklich sehr schätze.
Und dann habe ich gewartet. Darauf, dass sich aus dieser sehr guten Idee ein konkretes Projekt entwickelt. Eine Idee, die mehr ist, als dass 27 gute Journalisten regelmäßig Geschichten schreiben. Was herauskam, das gebe ich gerne zu, das war mir zu wenig. Zumal viele eurer Leute ihre durchaus vorhandene Expertise einfach nur auf eine neue Plattform transformiert hätten. Ich kenne deine Geschichten, deinen Themen. Und ich mag es was du schreibst. Aber was genau ist neu daran, außer der Tatsache, dass Sie zukünftig eben auch noch auf einer anderen Plattform lesen kann? Daran gäbe es ja erst mal nichts zu kritisieren. Aber: wenn ihr dafür eine knappe Million Euro haben wollt, dann müsste euch auch an diesen Maßstäben messen lassen. Und die 1 Million € Idee war das jetzt einfach mal nicht.
Natürlich kann ich auch deine Kritik an den Honoraren, wie sie online üblich sind, absolut nachvollziehen. Aber das ist kein Problem, dass der Online-Journalismus exklusiv hat. Frag mal bei diversen Tageszeitungen oder Lokalsendern nach. Ich kenne da Kollegen, die würden sich über 150 € für eine Geschichte verdammt freuen. Ich kenne Redaktionen, die zahlen ihren Pauschalisten für einen Tagesdienst einen Satz von 80 €. Daran ändert sich leider auch nichts, wenn ihr euch selbst gute Honorare genehmigt. Um nicht falsch verstanden zu werden: ich fand, dass das eines der wichtigsten Punkte bei eurem Projekt war. Nämlich zu zeigen, dass guter Journalismus eben auch gutes Geld kostet.
Trotzdem: Crowdfunding hat nun mal sehr viel damit zu tun, dass derjenige, der ein Projekt finanziert bekommen will, in Vorleistung geht. Ihr seid es, die die anderen überzeugen müssen. Das hat mir gefehlt. Eure Haltung hat zumindest aus meiner Sicht zu sehr transportiert: wir wissen, wie es geht. Wir brauchen nur das Geld dazu. Dass ich mit diesem Unbehagen nicht alleinstehe, haben mir viele Gespräche und andere Beiträge irgendwo im Netz gezeigt. Und ich dachte eigentlich, dass ihr intelligent genug seid und das Netz gut genug kennt, um innerhalb von vier Wochen auf diese aufkeimenden, sehr generellen Kritikpunkte zu reagieren. Vielleicht habe ich ja was übersehen, aber ich vermisse schlichtweg eine ernste Auseinandersetzung der Krautreporter mit ihren Kritikern. Auch bei diesem Thema würde ich sagen: ich stehe mit dieser Vermutung nicht ganz alleine.
Dabei hatte dir alle Chancen, das ist ja das traurige. Klar weiß ich, dass die ewigen Nörgler schon nach zwei Tagen über euch hergefallen sind. Aber ich wage die Behauptung, dass es noch nie ein Projekt gab, das mit soviel Vorschuss-Sympathien bedacht wurde wie die Krautreporter. Ich glaube, der Tenor den ich in den meisten Gesprächen mit Freunden und Bekannten gehört habe war: ich würde das so gerne unterstützen. Ich würde mir so wünschen, dass das was wird. Aber eigentlich finde ich es nicht wirklich gut.
Wie dem auch sei: vielleicht habe ich die Kassandra gespielt und aus eurem Projekt wird doch noch was. Ich wäre der letzte, der sich nicht darüber freuen und euch nicht dazu gratulieren würde. Aber nur unter einer Bedingung: lernt etwas daraus!
Lieber Christian,
das Neue daran wäre (für mich), abgesehen von einer neuen Freiheit – auch bei der Finanzierung: Dass ich endlich all die Geschichten aufschreiben kann, für die es bisher keinen richtigen Platz gibt. Weil meine längeren Texte über den Handel z.B. weder Wirtschaftsgeschichten noch Verbraucherstücke sind, die klassischen Medien aber eine eindeutige Tendenz brauchen, um sie einzukaufen und in ihren Ressorts unterzubringen.
Das Geld ist viel, ich weiß – aber du weißt doch selbst, dass 2000 Euro Honorar minus Einkommensteuer minus Büroplatzmiete minus all den Kosten, die anfallen, wenn man sich als freier Journalist mit seiner eigenen Ausstattung versorgt, gar nicht so wahnsinnig viel sind.
Der Eindruck, der entstanden ist, war, dass wir uns zu wenig reinhängen. Das ist ein Problem, auch wenn ich von vielen Projektbeteiligten weiß, dass das nicht so ist. Ich hab in den vergangenen Wochen wahnsinnig viele Fragen auf Facebook beantwortet, am WordPress gefrickelt, Interviews gegeben, hab diskutiert und in zwei Blogeinträgen darzulegen versucht, warum ich das Projekt für richtig halte, wir haben unsere Themen-Vorschau vorbereitet, und nebenbei hab ich meinen regulären Job weitergemacht. Ich muss akzeptieren, dass das nicht die „Vorleistung“ ist, die sich viele gewünscht haben. Aber ich weiß auch, dass ich als freier Journalist fast jeden Tag in Vorleistung gehe, weil ich mehr Arbeit in Texte oder Projekte investiere als es manchmal wirtschaftlich vernünftig wäre. Aber wem sag ich das – du kennst das, sonst hätte es „Universalcode“ nicht gegeben.
Die Erwartungshaltung an KR ist zurecht groß, weil wir ja auch ein großes Projekt vorgeschlagen haben. Viele Leute hätten sich noch mehr Input gewünscht. Es sind nur so viele verschiedene Wünsche, dass ich etwas den Überblick verloren habe.
Ich bin gespannt, was draus wird. Und genau wie du neugierig, was die Nächsten draus machen, falls es jetzt nicht klappt. Danke jedenfalls für deinen Input.
Viele Grüße!
Ich finde das Projekt gerade deshalb spannend, weil fast nichts vorgegeben ist.
Mit 60 Euro ermögliche ich 27 guten und motivierten Journalisten, ihre Vorstellungen vom Online-Journalismus umzusetzen. Daraus könnte sich so viel Spannendes entwickeln.
Journalismus, der kein Geld verdienen muss und daher unaufgeregt, sachlich und in erster Linie informativ daherkommen kann. Der keine zugespitzen Botschaften braucht, keine „Küchenzurufe“. Der Themen nicht schwarz oder weiß erzählt, sondern alle Grautöne beschreit. Gerne auch in sehr langen Texten, wenn die Themen diese bei kritischer Betrachtung tragen. Diese Aussicht wäre mir allemal 60 Euro im Jahr wert.
Und wenn das Projekt scheitert? Dann ist das eben so. Wer etwas wagt, kann immer scheitern. Nichts zu wagen ist viel schlimmer.
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Ich meinte natürlich „alle Grautöne beschreibt“, nicht beschreit 🙂
Vielen Dank für den Text, das sind viele Punkte, die mir in den vergangenen Wochen auch durch den Kopf gingen, und noch einige richtige mehr.
Für mich kommt noch hinzu, dass in der Kampagne einige Fehler gemacht wurden, die die Hürde zur Beteiligung unnötig hoch gemacht haben. So war anfangs nicht klar, ob es Exklusiv-Inhalte für die Fördernden gibt oder nicht, man konnte nur per Kreditkarte zahlen – und vor allem ist eine „Mindestbeteiligung“ von 60 Euro für manche Leute schon ein ganzer Batzen, oder zumindest eben nichts, was man einem Projekt einfach mal so als Vorschuss gibt. Da wäre mit kleineren Beträgen womöglich noch mehr zu holen gewesen – aber darüber zu spekulieren ist müßig.
Schade, wenn’s nicht klappt, aber weder die Welt noch die Zukunft des Journalismus werden deswegen untergehen.
Auch mich konnte das Projekt nicht wirklich packen – aber ich befürchte, dass nach dem Scheitern niemand mehr die Ambitionen für ein ähnliches Projekt aufbringt, weil alle denken: „Krautreporter ist ja auch gescheitert.“ Deshalb bin ich Last-Minute-Unterstützer.
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Toller Artikel. Ich sehe aber die fehlende ‚Redaktion‘ als auch die potentielle psychologische Fallhöhe als nicht problematisch an. Im Gegenteil, besteht nicht darin – mehr oder weniger – das Novum? Es kann natürlich daran liegen dass ich mich (noch) nicht als alten ‚Sack‘ bezeichnen würde, aber das glaube ich nicht. Strukturen und Modelle können und müssen aufgebrochen werden. Außerdem, so wie sich das gesamte Projekt präsentiert, ist hier von keinem Endstadium die Rede. Es ist ein Projekt. Projekte (ver)ändern sich. Und das ist gut so. Die Basis an sich kann aber unterstützt werden!
Vielleicht wurde der Erwartungsdruck zu hoch gesetzt, vielleicht. Ich hoffe noch auf einen Schub in der Zielgerade. Auf jeden Fall gibt es aber konkrete Vorschläge für eine neue Runde. Durchaus positiv.
Womit ich aber definitiv d’accord gehe ist die mangelnde Exklusivität als auch das Adoptionsproblem außerhalb der ‚Netzgemeinde‘.
In einem kostenpflichtigen Club ist es nicht gerne angesehen wenn auch Außenstehende die gleiche Leistung bekommen. Welchen Anreiz gibt es dann? Es gilt also einen Mittelweg zwischen gewünschtem Netzeffekt und Mehrwert zu finden.
Ferner, muss sich mehr außerhalb der Netzgemeinde abspielen, will man die Adoption vorantreiben. Das ist ein generelles Problem der Produkte und Services unserer Filterblase. Auf der anderen Seite stellt sich, in der Tat, die Frage, ob die ‚Außenwelt‘ den Journalismus wirklich für kaputt empfindet. Ob weitere Marktforschung hilft? Es bleibt abzuwarten.
Egal ob das Projekt jetzt, in der Zweiten, oder der dritten Runde erfolgreich ist. Fakt ist, es ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Nochmals besten Dank für diesen Artikel. Kritik, ob positiv oder negativ, fungiert oft als der beste Wegweiser.
My two cents. -Jonas
Meines Erachtens sind die Krautreporter an einem fehlenden Markenkonzept gescheitert. Die Flucht des Journalisten auf den Sockel der „gesellschaftlichen Relevanz“ ist aus meiner Sicht schon lange kein legitimes Kriterium mehr dafür, Menschen Geld für’s Schreiben zu geben. Hätte Krautreporter sich die Mühe gemacht, sich selbst als Dienstleister zu verstehen und diese Dienstleistung und ihren Nutzen eindeutig zu benennen, vielleicht hätte es geklappt. Aber, typisch für den Journalismus, wurde das offenbar nicht als notwendig empfunden – dafür gibt es dann schwammige Ansagen wie „höhere Qualität“ (Qualität im Journalismus – was ist das denn?) oder „Geschichten hinter den Nachrichten“ (mich interessieren die Nachrichten, keine Geschichten – davon habe ich im Netz mehr als genug). Die Diskreditierung der Kollegen hat diese Diskrepanz nur noch offensichtlicher gemacht. Eine kaum fundierte Pauschalkritik ohne plausiblen Lösungsweg – sorry, aber mich wundert es, dass sich überhaupt so viele Unterstützer gefunden haben. Übrigens gibt es schon ganz gute Krautreporter, die wir alle finanzieren: Nennt sich öffentlich-rechtlicher Rundfunk – und ist für mich das schlüssigere Konzept, trotz aller berechtigen Kritik an dem System. 😉
Ach Matthias, was für ein armseliger Anspruch: Nachrichten, keine Geschichten? Aber was will man auch erwarten von jemandem, der sich „Content Strategist for Digital Communication“ nennt? Die Berufsbezeichnung macht mehr als deutlich, dass es nicht Relevanz geht, sondern nur um Reichweite. Dann lieber – bei aller Kritik – das Kraut, das die Reporter rauchen.
…um… vergessen. Wo ist in diesem Theme die „Bearbeiten“-Funktion?
Lieber Herr Mahlow,
schön, dass Sie werbefreien Journalismus schätzen, obwohl Sie selbst ein anderes Geschäftsmodell haben. 🙂
Ich halte ihre Idee, man bräuchte keinen Küchenzuruf, allerdings für übertrieben optimistisch. Ich habe schon ein paar mal versucht, mich um so etwas herumzudrücken, aus der Ansicht heraus, dass die Leser schlau genug sind, mir auch so zu folgen. Die Redakteure haben mir das nie durchgehen lassen, und tatsächlich waren die Storys hinterher besser, nämlich mehr auf den Punkt. Inzwischen weiß ich: Wenn ich es nicht schaffe, den Küchenzuruf knackig zu formulieren, ist der Text nicht rund – und ich erreiche weniger Leser. Der alte Nannen hatte nicht von ungefähr Erfolg: Er kannte die Menschen. (Nur passt heute sein Ausdruck „Küchenzuruf“ nicht mehr in die Landschaft.)
Es gab ja viel Ärger um die Formulierung der Krautreporter „kaputter Onlinejournalismus“. Dieser Beitrag ist ironischerweise genau hierfür ein Beleg: In dem Tatsachen vorweggenommen werden, das „Gescheitert“ bereits vor dem Ereignis postuliert wird. Qualität sieht m.E. anders aus, hier geht es mehr um Klicks.
Lieber Herr Froitzheim,
mir geht es nur um Relevanz, insb. im Kontext der Zielgruppen, alle meine Anmerkungen beziehen sich exakt darauf. Über Reichweite denke ich für gewöhnlich wenig nach. Aber schön, dass Ihnen meine Berufsbezeichnung gefällt. Studiert habe ich übrigens „Online-Journalismus“.
Bin da ganz ähnlicher Meinung. Hat sich auf der Krautreporter-Party nur bestätigt. Dazu mehr: http://primatberlin.com/2014/06/11/krautreporter-party-in-berlin/
Pingback: Dentaku » Krautendspurt
Pingback: Warum ich die Krautreporter unterstütze, obwohl mich die Inhalte gar nicht interessieren – WeiterGen
Ja, mag sein, dass die einiges unterschätzen, was aus wirtschaftlicher/unternehmerischer Sicht dazu gehört, um auf Dauer erfolgreich zu sein. Aber grundlegend liegen sie nicht falsch. Das Konzept kann schon aufgehen (auch wenn es nicht DAS Konzept für jeglichen Journalismus in Zukunft sein wird).
Ein paar Gedanken dazu, was Verlage aus dem Projekt lernen können: http://www.thomas-hoerner.de/journalismus-der-zukunft-nur-noch-6-tage-bis-zur-entscheidung/
Schließlich: man sollte solche Projekt nicht zu früh beurteilen. Die Crowd hat ihre eigene Dynamik, gerade wenn es auf den Schluß zugeht. In den letzten Tagen und Stunden kamen eine Menge Leute dazu. Es könnte noch klappen oder es scheitert nur ganz knapp – und nicht „deutlich“, wie oben vermutet.
Gescheitert an … nun, wenn die Krautreporter scheitern, dann nicht zuletzt aufgrund der Vielzahl der Prophezeihungen des Scheiterns durch Medienvertreter, die selbst auch keine bessere Antwort auf die Herausforderung „Online-Journalismus“ haben.
Ich würde mich freuen, wenn all diese wie auch der (geschätzte) Autor dieses Artikels im Unrecht sind und auch daraus ihre Schlüsse für die nächste Hyperkritik zu ziehen. Danke, wohlwollend!
B
Ich sehe das anders und bin gespannt, ob die KR die 15.000-Marke noch reißen. Ich bin jedenfalls ein Last-Minute-Supporter. 🙂
Ich bin bereit, für eine gute Idee 60 € als „Vertrauensvorschuss“ zu zahlen. Ich sehe auch fehlende Exklusivität nicht als Problem. Ich habe auch den SPIEGEL abonniert, obwohl ein Großteil der Meldungen so oder ähnlich in anderen Medien teils kostenlos verfügbar sind und teils SPIEGEL-Geschichten auf SPON erscheinen – kostenlos. Da ärgere ich mich übrigens eher darüber, dass es für „Offline-Abonnenten“ nicht die SPIEGEL-App kostenlos gibt…
Ich bin gespannt ob es klappt und dann bin ich gespannt, was innerhalb des nächsten Jahres passiert. In einem Jahr sehen wir dann weiter.
Übrigens: Die 27 Journalisten möchten nicht mehr als ein Jahreseinkommen von knapp über 30.000 brutto, um sich ganz auf das Projekt konzentrieren zu können. Wenn das die einzige oder Haupteinnahmequelle ist, sind das 2.500 € brutto. Das finde ich nicht zu viel.
Beste Grüße
GrafLukas
Nun fehlen noch rund 500 Unterstützer, der fulminante Endspurt scheint zu glücken. Vielleicht stecken einige Menschen eben auch etwas mehr Geld hinein. CJ hat schön aufgezählt, was schiefgelaufen ist. Wenn es die Krautreporter über die erste Hürde schaffen, wird es erst richtig spannend, wie sie darauf reagieren und was sie schaffen. Ich habe gerne einen Vorschuss gegeben. Es ist ein Schuss ins Blaue – aber Schießen muss man halt auf jeden Fall um mal zu treffen.
wie kann man nur Tage vor dem Ende der Aktion so einen hellseherischen (und rückblickend völlig blödsinnigen) Artikel schreiben? Aber hat bestimmt viele Klicks gebracht…
„Die Krautreporter werden ihr Ziel nicht nur nicht erreichen – sie werden es vermutlich in einer erstaunlichen Deutlichkeit verfehlen. …
(Für den Fall, dass die Krautreporter ihr Ziel doch noch erreichen, haben sie dann ja gleich eine gute Aufgabe: Aus der vielen Kritik, die es gab, ihre Schlüsse zu ziehen.)“
Die Möglichkeit, dass die Vorab-Totschreiber aus dem Erreichen des Ziels ihre Schlüsse ziehen, ist nicht vorgesehen?
die 15.000 sind erreicht – dann bin ich ja mal gespannt wie ein Flitzebogen
Doch, durchaus.
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@Stefan Niggermeier
Ich lese hier keine Kritik, die an das Scheitern von „Krautreporter“ gebunden ist. Die Kritik gilt dem Projekt grundsätzlich, das (nun vermeintliche) Scheitern war nur der Aufhänger.
Davon abgesehen habe ich doch arge Zweifel, dass nun doch plötzlich 15.000 unterschiedliche „Crowdlinge“ aufgetaucht sind, aber das ist ein komplett anderes Thema. 😉
@Stefan Niggermeier
Ich lese hier keine Kritik, die an das Scheitern von „Krautreporter“ gebunden ist. Die Kritik gilt dem Projekt grundsätzlich, das (nun vermeintliche) Scheitern war nur der Aufhänger.
Davon abgesehen habe ich doch arge Zweifel, dass nun doch plötzlich 15.000 unterschiedliche „Crowdlinge“ aufgetaucht sind, aber das ist ein komplett anderes Thema. 😉
Ich dachte bisher, gute Journalisten würden sich nicht von ihren Mutmaßungen leiten lassen, sondern eher Fakten zugrundelegen …
@Matthias: „Das (nur vermeintliche) Scheitern war nur der Aufhänger“, genau das ist doch ein Problem des Onlinejournalismus. Man arbeitet mit Halbwahrheiten, Mutmaßungen etc., um die Leute zum Klick zu verführen (generell betrachtet, nicht an diesem Beispiel). Das hinterlässt bei den Lesern einen Eindruck. Korrigieren kann man dann ggf. immer noch, still und leise wenn es niemanden mehr interessiert, wenn der Social Bait erstmal da ist.
So kommt es schnell zum Stille-Post-Spiel, das manipuliert Nachrichten und schafft eine nicht vorhandene Faktenlage. Ich will nicht auf diesem Beitrag hier herumreiten. Aber du erwähnst in deinem Kommentar genau das, was schiefläuft. Es ist eben nicht „nur“ ein Aufhänger, es ist „DER“ Aufhänger. Der Rest wird im Social Media Zeitalter oft nicht mehr gelesen. Dieser Verantwortung sollten sich Onlinejournalisten bewusst sein, finde ich.
@Michael Firnkes
Ganz klar, von dieser Warte aus gesehen gehe ich 100% d’accord. Mit einem Einwand: Reißerische Überschriften sind kein Alleinstellungsmerkmal des Online-Journalismus. Mir ging es daher auch nicht speziell um den Online-Journalismus, sondern eher um Journalismus im Online-Zeitalter – das sind zwei unterschiedliche Dinge.
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Ich finde diesen Artikel extrem albern. Ich sehe darin nämlich nur einen Online-Journalisten mit gekränkter Eitelkeit.
Wenn die Krautreporter sagen, dass der Online-Journalismus gescheitert ist, dann wisst ihr doch genau dass damit nicht qualitativ hochwertige Seiten wie diese, sondern solche wie die des neuen Marktführers Focus Online gemeint sind.
Focus Online ist das HartzIV-TV des Online-Journalismus, selbst BildOnline lässt sich nicht auf ein so tiefes Niveau herab. Die Partnerschaft zur Huffington Post Deutschland zeigt dass man mit dieser strategischen Ausrichtung auch sehr zufrieden zu sein scheint.
Wie auch immer. Die Aussage an der ihr euch so aufhängt ist Marketing. Ich hoffe dann auf ähnliche Empörung wenn demnächst mal wieder eine völlig überzogen polemische Aussage zur Datenschutz- und Netzpolitik kommt. Die wird von dir aber mit Sicherheit nicht kommen. Also hör auf zu heucheln…sorry.
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Die Rolle rückwärts ist offenbar auch für erfahrene Journalisten etwas ungewohnt, merke ich.
Die ehrlichere Überschrift wäre: „Weil es mir peinlich ist, dass und wann ich mich geirrt habe und was für ein guter Freund von Sebastian ich bin“
https://www.blog-cj.de/blog/2014/06/15/warum-ich-den-krautreportern-gratuliert-habe/
Der 154. Watchblogger spielt Küchenpsychologe. Sie erlauben, dass ich das nicht weiter ernst nehme und mich bei Ihnen dafür auch nicht entschuldige.
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