Liebe Blogleser, nach langem Überlegen bin ich zu folgendem Schluss gekommen: Es ist mir leider nicht mehr möglich, die Ergebnisse meiner Arbeit kostenlos zur Verfügung zu stellen. Ich meine, wenn Sie mich anderswo buchen oder wenn ich für andere Medien Beiträge produziere, dann gibt´s das ja auch nicht gratis – warum also soll das in diesem Internet, das ja auch kein rechtsfreier Raum ist, anders sein? Wenn Sie also künftig mehr als zehnmal im Monat diese Seite aufrufen, dann müssen Sie ein Abo abschließen. Aber: Dafür gibt´s auch echte Zusatzleistungen! Abonnenten dieses Blogs bekommen künftig das komplette Fernsehprogramm gratis und zudem immer dann, wenn ich in der „Allianz Arena“ bin, einen Liveticker vom jeweiligen Spiel. Exklusiv und ohne weitere Zusatzkosten!
Vermutlich haben Sie diese absurde Einleitung als das wahrgenommen, was sie ist: als absurd eben. Und möglicherweise haben Sie es als besonders absurd empfunden, dass ich Ihnen etwas als Zusatzleistung besonderer Art verkaufen wollte, was Sie an jeder Ecke dieses rechtsfreien Raums Internets kostenlos und hochwertig bekommen: das TV-Programm und einen Liveticker für Fußballspiele. Sollten Sie allerdings Leser der „Braunschweiger Zeitung“ sein, dann sollten Sie sich mit dieser Form der Argumentation schon mal vertraut machen…
Aber der Reihe nach: Die „Braunschweiger Zeitung“ hat mit dem neuen Jahr die Bezahlschranke heruntergelassen, nach dem inzwischen populären Metered-Modell. Auch die „Vollabonnenten“ der gedruckten Ausgabe werden zur Kasse gebeten. Momentan sollen sie zu den 27,90 Euro nochmal 6,90 Euro für den Digitalzugang bezahlen. Was in der Konsequenz bedeutet, das aus Sicht des zahlenden Lesers die Zeitung plötzlich mal um knapp 7 Euro pro Monat teurer werden soll. Dafür aber gibt´s dann auch ein paar Leckerlies: neben dem kompletten Zugang auf die Onlineseite auch noch das Fernsehprogramm, einen Nachrichtenticker und Fußball-Liveticker. Kein Witz – sondern ernsthaft das Angebot des Verlags.
Wenn man sich dann vom ersten Lacher erholt hat, kommt man dann aber doch nicht daran vorbei, darüber nachzudenken, ob das jetzt wirklich die Online-Welt ist, von der Verlagsmenschen glauben, dass sie so ist. Ob man also ernsthaft in einigen Chefbüros glaubt, dass ein TV-Programm etwas ist, was irgendjemand im Netz noch als erwähnenswerten Inhalt bezeichnet. Oder einen Liveticker von irgendwas. Ich trau mich das ja kaum zu sagen, aber das gibt es wirklich überall, vermutlich sogar in besserer Aufbereitung – und zudem kostenlos.
Gleichzeitig zeigt dieses „Angebot“ aber auch, wie sehr sich die Welt für die Tageszeitung geändert hat und wie schwer sie sich in vielen Fällen immer noch tut, diese Veränderungen zu akzeptieren und angemessen darauf zu reagieren. Bleiben wir deshalb nochmal beim TV-Programm: Natürlich war es früher ein Mehrwert (im wahrsten Sinne des Wortes), den man geschaffen hat, indem man das Programm abgedruckt hat. Es war Information und es half, wenn man das wollte, Geld zu sparen, weil man sich dann keine Programmzeitschrift mehr zulegen musste. Das Argument fällt heute weg, ebenso wie das Argument, Spiele von Eintracht Braunschweig online live tickern zu wollen. Es bleibt vielmehr ein eher unguter Eindruck beim Leser: Die wollen Geld für etwas, was ich anderswo kostenlos bekomme.
Das alles trifft die Zeitungsproblematik im Netz ziemlich genau: Es ist ja nicht so, dass man ein richtiges Geschäftsmodell mehr für bedrucktes Papier und keine echte Idee für ein Online-Erlösmodell hat. Schlimmer, viel schlimmer ist, dass es in vielen Häusern auch immer noch keine echte Idee für ein Inhalte-Modell im Netz gibt. Ist im Fall der „Braunschweiger Zeitung“ einfach nur die „Kostenlosmentalität“ im Netz das Problem? Nein. Das Problem ist, dass es dem Verlag nicht gelungen ist, eine Antwort auf eine simple Frage zu geben: Warum soll ich dafür etwas bezahlen? Sicher ist: Das Paket „Die gedruckte Zeitung und das Fernsehprogramm“ ist dauerhaft keine gute Idee, um im Netz Geld zu verdienen.
Ich sehe das so ähnlich, bin allerdings vor allem über den „24-Stunden-Newsticker“ als Argumentation für die Kosten der Zeitung als elektronische Ausgabe gestolpert.
Nachdem ich darüber gebloggt hatte, hat sich ein Kollege (vermutlich von der Braunschweiger Zeitung) dazu geäußert, zum Nachlesen (in den Kommentaren):
http://wiegold.wordpress.com/2012/12/29/die-irrste-begrundung-fur-paid-content/
Inhaltlich stimme ich dir, wie so oft, bei, aber von technischer Seite kann ich im Webauftritt der Braunschweiger Zeitung beim besten Willen keine Bezahlschranke entdecken. Bestenfalls eine Sammelbüchse mit der zurückhaltend geklappert wird, sofern der Besucher der Seiten diese wahrzunehmen gedenkt. Aber hat man nicht als Braunschweiger-Zeitung-Online-Leser schon ohnehin genug Gegenleistung erbracht? Neben den zahlreichen Anzeigen, die einem zwischen den redaktionellen Inhalten serviert werden, analysiert das Online-Blatt das Verhalten seiner Nutzer gleich mit acht verschiedenen Tools: Xiti/AT Internet, DoubleClick, Facebook Connect, Google Analytics, INFOnline, Ligatus, Nugg.ad und Plista.
Dies zuzulassen, ist eine Menge geldwertes Entgegenkommen von Leserseite, könnte man meinen. Und daher könnte man es der geneigten Leserschaft der Braunschweiger Nachrichten auch kaum verübeln, würde sie das lustige Bildschirm-Overlay, das um eine Monatsgebühr bettelt, mit dem schlichten CSS-Befehl
.layer { display: none !important }
einfach ausblenden. Und wem selbst das zu kompliziert ist, der würde seinen Browser ganz einfach anweisen, keine Cookies von braunschweiger-zeitung.de zuzulassen. Danach funktioniert die Seite prächtig, da sie nun die Seitenaufrufe des entsprechenden Nutzers nicht mehr mitzählen kann.Nee, wirklich: Eine Bezahlschranke sieht anders aus.
@ Jens Arne: Der Unterschied zur bisherigen Bezahlstruktur ist der, daß ich als Abonnent bzw. dessen Familienmitglied das e-paper nicht mehr via Abonnenten-Zugang zur Verfügung habe. Jedenfalls nicht ohne die 7€ extra.
Auf den offen zugänglichen www-Seiten der Zeitung sind weniger Meldungen als in der Zeitung bzw. im e-paper. Ich werde zukünftig auch gut ohne auskommen.
Viel Mehrumsatz wird der Laden über diesen Trick sicher nicht machen.
Mann, Mann, Mann – dieses Fernsehprogramm gibt es doch sogar IN FARBE!
Und nicht einmal im Ansatz verstanden, dass man sowas wie das Fernsehprogramm auch gut und interaktiv und sozial GUT machen könnte. Wie eine App. Mit Nutzen für den Anwender. Aber einfach nur als statische Seite ins Netz gestellt. Oder sollte man besser sagen gesetzt? In Blei …
Grundsätzlich stimme ich der Aussage zu: Das Vorgehen der Braunschweiger Zeitung ist sicher nicht „die richtige Antwort“ auf die Herausforderung Internet. Aber vielleicht wird die ja auch gar nicht wirklich gesucht? Vermutlich setzt man einfach auf ein paar „Dumme“, die das Angebot schon annehmen – um einige Euros mehr in die Online-Kasse zu spülen.
Zwei Erlebnisse in dem Zusammenhang:
Ich hatte neulich ein längeres Gespräch mit einem Vertreter aus einem ziemlich großen Zeitschriften-Verlag. Sinngemäß war seine Aussage: Wir machen Print, das können wir und das ist unser Geschäft. Was online passiert, ist eine andere Abteilung (in dem Fall glaube ich sogar eine andere GmbH).
Zweites Beispiel: Ein Chefredakteur einer Tageszeitung zeigte mir mal eine Tabelle, die die Umsätze seines Hauses mit Print- und Online-Lesern verglich. Ein Print-Leser bringt dem Haus 100 Euro, ein Online-Leser 1 Euro.
Beide Verlage leiden sicherlich unter den Effekten des Internets – aber beide Häuser verdienen nach wie vor (nicht zu schlechtes) Geld.
Wenn ich mir dann näher anschaue, wie die heimischen Verlage mit der Herausforderung umgehen – und an der Stelle muss man einfach mal sagen: Die haben im Lokalbereich nach wie vor Informationen, die sie unverzichtbar machen – dann komme ich zu dem Schluss: Denen ist gerade einfach mal relativ egal, was da im Netz passiert oder ob sich jemand in irgendeinem Blog aufregt oder nicht.
Ja, jetzt kann man sich wunderbar darüber das Maul zerreißen, dass Geschäftsführer Wahls das TV-Programm und den Fußball-Liveticker ins Feld geführt hat. Ja, man kann ihn auch dafür kritisieren, dass er nicht stattdessen die die weitaus höhere Aktualität, die regionalen Fotogalerien und Videos, die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Usern über die Themen der (vor allem regionalen!) Berichterstattung und den leichten Zugriff auch auf ältere (vor allem regionale!) Artikel sowie als den wesentlichen Mehrwert des Online-Auftritts gegenüber der Print-Ausgabe aufgeführt hat.
Solche kleinen Ausrutscher wie der von Wahls sollten aber kein Grund sein, gleich die ganze Idee, für im Print kostenpflichtige Inhalte auch online konsequenterweise Geld zu nehmen, abzuqualifizieren.
Schön, dass Sie so selbstlos sind, Ihre Gedanken kostenlos ins Netz zu stellen, Herr Jakubetz. Gezwungen hat Sie dazu aber niemand, auch wenn die Kostenlosigkeit ohne Zweifel Teil der Blog-Kultur ist. Bitte erläutern Sie aber doch einmal (mal ganz abseits der Nebenkriegsschauplätze TV-Programm und Fußball-Ticker), warum es so skandalös ist, eine Leistung in einem Kanal nur gegen Geld anzubieten und im anderen Kanal dann eben auch kostenpflichtig zu machen?
Die Gratis-Kultur im Internet ist sicher komfortabel für die User, aber wirklich rational begründbar ist sie meines Erachtens nicht – mindestens nicht für exklusive Inhalte, die andere Medien so im Netz nicht anbieten können. Aber selbst, wo es Konkurrenzangebote gibt, ist mir nicht wirklich klar, warum die das Ganze dann gleich „für lau“ anbieten sollen – diese sich überschneidenden Texte haben schließlich auch Geld gekostet. Vom Arbeitsaufwand mal ganz zu schweigen. Und ich rede jetzt, wohlgemerkt, nicht vom TV-Programm.
Vielleicht verstehe ich Sie auch falsch, aber dann können Sie das ja sicher aufklären.
Da verstehen Sie mich in der Tat falsch. Ich halte es keineswegs für skandalös oder falsch zu versuchen, mit Inhalten Geld zu verdienen und zu diesem Zwecke auch solches zu verlangen. Die Frage ist und bleibt nur: Für was geben Menschen um Netz Geld aus? Ich glaube: dafür nicht. Sollte ich mich täuschen, wäre ich ausgesprochen zufrieden – weil dann eine der spannendsten und wichtigsten Fragen der medialen Zukunft für alle Seiten zufriedenstellend beantwortet wäre. Bis dahin bleibe ich allerdings skeptisch.
Okay, dann ist das Missverständnis geklärt. Allerdings finde ich es dann auch nicht sonderlich zielführend, sich an den von einem Verlags-Geschäftsführer schlecht gewählten Einzelbeispielen hochzuziehen, sondern die Frage genereller zu diskutieren.
Natürlich zahlt niemand für ein TV-Programm, das er auch z.B. bei tvtoday.de, hoerzu.de etc. kostenlos haben kann. Selbst wenn es auch nicht vermessen wäre, wenn die allesamt für diese Leistung online ebenfalls Geld nehmen würden.
Aber zahlt er für regionale Inhalte, die eben nicht nur aus den oft bemühten Negativbeispielen besteht, sondern auch wirklich relevante Informationen und gut gemachte Inhalte bietet? Ich sage: ja. Zumindest, wenn ihm dieser Wert bewusst ist und er das Regionale nicht als unwichtig abtut – und meint, Spiegel Online und Co. würden ihm doch schon das ganze Bild bieten.
Damit ihm das bewusst wird, müssen die Verleger und Verlags-Geschäftsführer (nicht nur Wahls) natürlich kräftig an ihrer „Verkaufe“ arbeiten. Aber das ist fast schon eine Binsenweisheit.
Ich bitte, die Flüchtigkeitsfehler zu entschuldigen. Ich bin nicht mehr so ganz wach.
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Ich kann dieses permanente Gebashe der Online-Ableger von Printmedien nicht ganz nachvollziehen.
Ja, der Versuch mit dem kostenlosen Fernsehprogramm als Premium ist lächerlich, was vielleicht daran liegt, dass die guten (Online-)Marketingleute oder Produktmanager nicht zwingend bei der „Braunschweiger Zeitung“ sitzen.
Und ja, um dafür Geld zu nehmen, müssten Inhalte auch mehr bieten als praktikantenverhunzte Copypastes von dpa-Meldungen.
Aber letztendlich geht es um die Kernfrage, wie sich außer mit Werbung auch Online Geld mit der journalistischen Arbeit verdienen lässt und dieses Ansinnen ist wohl legitim, oder?
Ob es einem passt oder nicht: mit Blogs, Twitter, Facebook-Timelines und was es da sonst noch so gibt lässt sich eine kompakte und inhaltlich hochwertige Informationsversorgung nicht organisieren. Blogs sind Nischenfabriken mit oft guten Inhalten, Twitter und sämtliche Timeline-Konzepte produzieren nur schwer zu ertragenden Informationsmüll und dann gibt es da noch Aggregatoren, die all diesen Schrott mashuppen und einem visuell ansprechend präsentieren. Herzlichen Glückwunsch.
Dass die „alten“ Medien die hohe Informationsqualität (online) oft noch nicht liefern – Haken dran. Dass sie bisher noch keine Ahnung zu haben scheinen, was sinnvolle Zusatzfunktionen für Premium-Abos sein könnten – Haken dran. Aber das werden sie schon in den Griff bekommen, man darf auch nicht vergessen, dass „das Internet“ in dieser Form erst 15 Jahre alt ist, seit vielleicht 7 Jahren als echter und gleichwertiger Kanal beurteilt wird und man ein über 200 Jahre altes Geschäftsmodell mit eher konservativen Protagonisten nicht in so kurzen Zeiträumen umkrempeln kann. Guckt euch die Banken an 🙂
Ich jedenfalls wäre gerne bereit, 5-10 EUR im Monat für einen Tageszeitungs-Online-Zugang zu zahlen, WENN (!) da sinnvolle Premium-Funktionen dabei sind, z.B. Artikeldatenbanken o.ä.
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