Zeitungskrise? Zeitungsende!

(Das möglicherweise Schlimmste für die Kollegen der „Frankfurter Rundschau“ ist ja, dass es jetzt so viele schon vorher gewusst haben. Dass sie gesagt bekommen, sie hätten zu lange das versucht, was die Briten „flogging a dead horse“ nennen. Man muss also, wenn man etwas über die Insolvenz dieser Zeitung schreibt, erst einmal furchtbar aufpassen, dass da tunlichst nicht steht, man habe es ja schon länger geahnt. Auch wenn die Verlockung groß ist und dieser Satz auch sachlich nicht so ganz verkehrt wäre.)

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Über den mutmaßlichen Untergang der FR ist seit gestern viel geschrieben worden, manches Wahres, mancher Unsinn. Zurecht hat der eine oder andere darauf hingewiesen, dass die Geschichte dieser Zeitung sehr viele spezielle Komponenten enthält; zuviele, als dass man die Frankfurter als Musterbeispiel für die Zeitungskrise verwenden, den Zeigefinger heben und sagen könnte: Seht ihr, so wird es euch allen gehen, wenn ihr nicht Halt macht und umkehrt. Dass auf der anderen Seite die Kollegen der FAZ sich mal wieder zu einem Stoßseufzer hinreißen ließen, wenn denn mal die letzte Zeitung gestorben sei, würde nur noch der Quatsch aus dem Netz weiter existieren (und vulgo die Menschheit weiter verblöde, sofern das noch möglich ist), zeigt vor allem eines: Ganz egal, welche Meinung man zur FR-Insolvenz auch vertritt, es wird immer noch an der eigentlichen Problematik vorbei diskutiert. Letztendlich stellt sich nämlich nicht die Frage, ob jetzt Papier oder digital besser ist, es geht auch nur sehr vordergründig um sinkende Auflagen und Werbeerlöse. Sondern um eine sehr generelle Frage, die zwar schon vor Jahren diskutiert wurde, angesichts der momentanen heftigen Beschleunigung der Problematik wieder relevant wird:

Ist nicht schlichtweg die Idee „Tageszeitung“ am Ende?

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Die Maschine

Würde man sich dem Thema so nähern, hätte das ein paar Vorteile. Man müsste zum Beispiel nicht mehr diese alberne Debatte führen, ob Inhalte besser sind, weil sie auf Papier gedruckt sind. Man könnte müde über den FAZ-Herausgeber d´Inka lächeln, der ernsthaft glaubt, der Fortbestand von anständigem Journalismus sei tatsächlich vom Fortbestand der (Tages-)Zeitung ahängig. Und man könnte den Blick freibekommen auf das, um was es geht. Das ist, anders als der FAZ-Mann glaubt, keineswegs die Frage, ob Papier und Zeitung oder eher nicht. Sondern die Frage nach Publikationsformen, die in einer durchdigitalisierten Welt Sinn machen. Die Frage nach der Finanzierung stellt sich natürlich auch, aber ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte zeigt: Für jedes vernünftige und tragfähige Inhaltemodel gibt es auch die passende Finanzierung.

Tageszeitungen sind – man muss das in den Endzeittagen der FR und wohl auch der FTD nochmal festhalten – eine sterbende Gattung. Das hat nichts mit dem Datenträger zu tun, auch eine als PDF für Tablets ausgespielte Tageszeitung ist erst einmal nichts anderes als eine Tageszeitung. Sie folgt all ihren Prinzipien, die vor 20 Jahren noch relevant waren, inzwischen aber aus einer Reihe von Gründen schlichtweg überholt sind. Die Idee, die die meisten von ihnen immer noch mit erstaunlicher Konsequenz verfolgen, lautet: Wir fassen den gestrigen Tag zusammen. Wenn es nicht so viele immer noch tun und nicht dauernd daraus eine Grundsatzdebatte über das Internet entfachen würden, müsste man es nicht ausdrücklich betonen — so aber bleibt nichts anderes übrig als das nochmal zu sagen: Die Idee ist überholt, nicht so sehr das (Träger-)Medium als solches. Nach der US-Wahl vergangene Woche sind natürlich auch die digitalen Ausgaben der Tageszeitungen ohne ein Endergebnis der Wahl erschienen, wie auch?

Das Beispiel zeigt die Problematik: In der Struktur, in der Tageszeitungen arbeiten, sind sie schlichtweg nicht in der Lage, in des Wortes Sinne aktuell zu sein. Produktions- und auch Redaktionsstrukturen sind nicht darauf ausgerichtet, jenen Echtzeit-Journalismus zu bedienen, wie er durch das Netz inzwischen de facto bereits existiert. Auch dann nicht, wenn das Papier plötzlich ein PDF oder eine App wird (wobei die App wenigstens etwas schnelleres Reagieren ermöglicht).

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Bis vor einigen Jahren galt wenigstens eines als ausgemacht: Natürlich hat die Tageszeitung den Kampf um die Aktualität im Nachrichtengeschäft verloren. Eine Seite des Ressorts „Nachrichten“ ist in einer Tageszeitung, wenn man den Begriff wörtlich nimmt, per se ein Witz, es sei denn, man würde ernsthaft behaupten, dass Meldungen, die mindestens12 Stunden alt sind, im Zeitalter von Twitter,Facebook und Smartphone noch als „Neuigkeit“ bezeichnet werden können. Die Tageszeitung müsste also, so folgerten viele, künftig anderes leisten: analysieren, einordnen, Hintergründe liefern, Haltungen und Meinungen vertreten. Dagegen gibt es zunächst schon deshalb nichts einzuwenden, weil es zu dieser Idee gar keine Alternative gibt. Das Problem für die meisten Tageszeitungen wird nur sein, dass genau dieses Geschäft schon von vielen anderen ausgesprochen gut und erfolgreich betrieben wird,  man nennt sowas auch Wochenzeitung.  Die Idee also, die Tageszeitung zu einer Art täglichen Wochenzeitung zu machen, ist schon ganz hübsch, die Frage ist nur, ob es für diese inhaltliche Kehrtwende bei vielen nicht schlichtweg zu spät ist. Selbst da muss die FR leider als Beispiel herhalten: Es wäre ja nicht so, dass das Blatt blind in Richtung Abgrund gelaufen wäre. Man hat ja durchaus einiges versucht und am Ende sogar eine durchaus vorbildliche Tablet-App produziert. Die Abwärts-Spirale war trotzdem nicht mehr aufzuhalten.

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Ferienfrühstück

Kurz eingeschoben sei ein anderer Gedanke, weil wir hier gerade von Apps reden: Mir fallen da auf einen Schlag so viele Blätter ein, die sowas wie eine App noch gar nicht haben. Oder unbrauchbare Apps. Oder einfach nur PDF-Ausgaben, deren Problematik oben schon beschrieben ist. Wenn ich mir das gerade eben so vor Augen führe, dann würde ich lieber erst gar nicht wissen wollen, welche Meldungen uns 2013 um die Ohren fliegen.

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Angesichts dieser ganzen Entwicklungen wirkt es dann ebenso befremdlich wie urkomisch, wenn plötzlich die Verlagserkenntnis auf den Tisch kommt, man müsse einfach nur aufhören, gute und hochwertige Inhalte zu verschenken. Bezahlschranke runter und alles wird gut, das ist das aktuelle Mantra. Das lässt sich allerdings leicht widerlegen, wenn man tatsächlich die publizistische Idee „Tageszeitung“ in Frage stellt. Das wäre dann auch tatsächlich andere Debatte. Was also, wenn gar nicht die vermeintliche „Umsonstmentalität“ im Netz das Problem ist, sondern die Frage, ob es man nicht schlichtweg ein überholtes und publizistisch zunehmend irrelevantes Produkt dadurch zu retten versucht, in dem man es teurer macht? Das hat übrigens die Musikindustrie vor 15 Jahren auch schon mal versucht, als sie auf die wunderbare Idee kam, man müsse den sinkenden Absätzen durch eine saftige Preiserhöhung für so genannte „Premium CDs“ antworten. Dann wisse der Nutzer endlich, welch hochwertiges Gut er da in Händen halte – und dafür sei er dann auch gerne bereit zu zahlen. Die Argumentation kommt mir bekannt vor, und was aus CD´s geworden ist, weiß man ja nur zu gut.

Trotzdem ist die Musikindustrie mal wieder eine schöne Analogie (ich frage mich ja ohnehin sehr oft, warum sich viele Medienmanager nicht einfach immer wieder mal die dortige Entwicklung anschauen, man könnte eine Menge für sich selbst daraus ableiten). Dort hat man auch über viele Jahre zunächst über den richtigen Datenträger debattiert (CD oder mp3) und dann die Kostenlosmentalität der Nutzer als das Hauptübel ausgemacht. Die Debatte drehte sich also sehr lange darum, ob man nicht einfach mit einer Menge von Restriktionen und Preiserhöhungen den früheren Zustand wieder herstellen könne. Auf die Idee, dass am Ende eine völlig andere Idee des Musikhörens und damit auch ein restlos verändertes Geschäftsmodell stehen wird, sind die Dieter Gornys dieser Welt nie gekommen. Tatsächlich aber ahnen wir heute: Nicht das Kaufen eines Datenträgers, sondern der lizensierte Zugriff auf Datenbanken ist vermutlich das, was Nutzer in der Zukunft als ihre bevorzugte Form des Musikkonsums angeben werden. Weniger kompliziert ausgedrückt: Streaming.

Die Kulturpessimisten werden einwenden, dass angesichts der Minibeträge, die ein Künstler für einen abgerufenen Stream bekommt, kaum mehr Geld zu verdienen ist. Vordergündig stimmt das, bei näherem Hinsehen bestätigt das allerdings nur eine Entwicklung, mit der Musiker schon länger leben müssen: Ihre Haupteinnahmequellen sind nicht mehr der Verkauf von Datenträgern, sondern (beispielsweise) Live-Auftritte. Das muss nichts Schlimmes sein, immerhin bietet das deutlich kostengünstigere Streaming ja womöglich auch die Möglichkeit, dass sich Menschen viel eher mal schnell ein Album anhören, als wenn sie dafür erst 10 Euro bezahlen müssten. Streamingdienst als Appetizer, als Marketingmöglichkeit für andere, teurere Dienste, das könnte ein funktionierendes Konstrukt werden.

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Was ist unser Spotify (vulgo: Streamingdienst), was könnten unsere bezahlpflichtigen und rentablen Zusatzdienste sein? Unter dieser Prämisse müssten Verlage heute ihre Zukunft debattieren. Sie müssten ihre gesamten Strukturen ebenso verändern wie ihr publizistisches Grundmodell. Wenn man beim eingangs geschilderten Bild bleibt: Die Tageszeitung ist ein „dead horse“. Nicht zu verwechseln mit Journalismus. Den werden wir auch weiter brauchen, bloß neu gedacht.

Nur weil Musik künftig mehr gestreamt wird, kommt ja auch niemand auf die Idee zu glauben, wir würden keine Musik mehr hören.

Deshalb: Mach´s gut, Tageszeitung, Ende und aus. Es war trotzdem schön mit dir.

 

Dieser Beitrag hat 31 Kommentare

  1. Moki

    Ich stelle mir immer vor, ich bekäme mal eine Eintrittskarte zu allen Redaktionen der Republik. Dort könnte ich reinspazieren und alle Redakteure fragen: Wer von euch hat ein eigenes Blog oder ist sonstwie online aktiv? Wahrscheinlich würde nichtmal jeder zehnte den Finger heben. Viele Verlage verschlafen als Unternehmer den digitalen Wandel. Aber genauso tun das auch die Redaktionsmitarbeiter… jeder für sich.

    Das Bloggen könnte der Streamingdienst modernisierter Medien sein. Anonyme Redakteure einer Zeitung werden für den Leser dadurch fassbar, dass sie sich ihm auf einer persönlichen Ebene mitteilen und mit ihm in Interaktion treten. Das generiert Nähe, das generiert Interesse an der Zeitung, das generiert Themen, und das generiert wahrscheinlich noch 1000 andere positive Nebenaspekte für eine Zeitung (egal ob gedruckt, online, tages- oder sekundenaktuell). Aber das funktioniert nur, wenn sich die Belegschaft und die Verlage darauf einlassen.

  2. Christian

    Leider können die Musiker von Spotify auch nicht leben. Insofern auch kein Vorbild.

  3. cjakubetz

    Habe ich ja geschrieben: Von Spotify können sie nicht leben. Aber möglicherweise von dem daraus resultierenden Folgegeschäft.

  4. Frank Krings

    Um für das „Streaming“ von journalistischen Inhalten mal ein Beispiel aus meinem Alltag zu liefern: Ich schätze die iPhone-App ZITE sehr. Da werden mir regelmäßig aktualisierte Inhalte diverser Blogs und News-Sites zu meinen selbst gewählten Rubriken angeboten. Ich kann Artikel „liken“ oder „disliken“, was sich auf die weiteren Angebote von ZITE an mich auswirkt. Allerdings zahle ich für ZITE und die Artikel nichts. ZITE dient dafür der Reichweiten-Steigerung kostenloser Artikel.

  5. h

    Natürlich kann eine Tageszeitung nie so aktuell sein wie ein Newsticker online. Den richtigen Weg geht deswegen beispielsweise die taz: mehr Nachdruck auf Hintergrund und Themen, nicht auf Aktualität. Das ist dann nämlich wieder ein Nachteil des Onlinegeschäfts: hier zählt eben, wer der erste ist, nicht wer am sorgfältigsten recherchiert hat. Und eine Nachrichtenwelt, die nur aus hingeklatschten Bild-Schlagzeilen besteht, ist für mich völlig uninteressant. Keine Frage: auch für recherchierte Hintergründe brauchen wir kein gedrucktes Papier. Der zweite Grund für eine Zeitung ist, dass hier verschiedene Autoren Artikel zu verschiedenen Themen bündeln (die allerdings zumindest grob in meine Interessensrichtung gehen). So stolpert man auch einmal über Themen, nach denen man aktiv gar nicht gesucht hatte.
    Thema Bezahlung: auch hier ist das Konzept der taz interessant. Keine Paywall, aber die Möglichkeit freiwillig monatlich oder für Artikel, die einem gefallen haben, Geld zu geben. Keine Katze im Sack.

  6. Petra

    Ich habe Angst vorm Algorithmus…

    Schon jetzt bekommt man in den Online-Publikationen die auf die eigenen Lesegewohnheiten zugeschnittenen Nachrichten serviert. Und vieles geht am Leser vorbei. Wahrscheinlich auch an mir!?
    Lese ich jedoch ein „Totholzprodukt“, so lese ich zumindest alles in den Überschriften, sehe an der Größe der Artikel, wie die Wertigkeiten der Journalisten verteilt sind. Vielleicht ist das altmodisch, aber eine echte Rundum-Information bietet mir nur ein gute Mischung aus Fernsehen, analoge Zeitung, online-Publikation, Blog und Soziales Netzwerk.
    Sich auf die Objektivität von Apps zu verlassen macht blind.

  7. Achim

    Ich finde zunächst mal Papier als Medium nicht schlecht. Morgens hole ich die Zeitung rein (die nette Austrägerin bringt sie bisher noch in den 3. Stock!), entsorge die Werbebeilagen direkt in den Altpapierkorb neben der Haustür, und während der Kaffee durchläuft, blättere ich schon mal und lese den einen oder anderen Artikel. Da wird dann eingeordnet und mit mehr Detail berichtet, als ich am Vortag online oder im Fernsehen schon zur Kenntnis genommen habe. Darauf möchte ich nicht eine Woche warten.

    Das Prinzip „Tageszeitung“ (dem im Grunde ja auch die Fernsehnachrichten folgen) finde ich gar nicht so gestrig.

  8. Tim

    Man könnte die Online-Welt so schön nutzen und wenn es ein Verlag hinbekäme: ich würde dafür zahlen.

    1. Online ist es nicht notwendig in der Einleitung eines Artikels den gesamten Sachverhalt zu wiederholen, wie man es bei gedruckten Artikeln macht. Offline muss man eben davon ausgehen, dass der Leser die Tageszeitung von gestern nicht hatte und auch nicht mehr vorzauber kann. Online reicht ein Link auf den alten Artikel.

    2. Führen von Artikelserien (würde auch offline funktionieren). Wie oft denke ich: man, jetzt hat die Presse so einen Hype um das Thema gemacht, aber wie ist es denn nun ausgegangen. Wie sieht es jetzt nach 6 Monaten bzw. 1 Jahr aus?

    3. Ein Onlineportal sollte nicht wie eine Printausgabe geführt werden. In einer Tageszeitung sind nunmal oft nicht zusammenhängende Artikel lose nach Ressorts geordnet abgedruckt. Warum muss das online auch so sein? Hier hat man durch Sortiermöglichkeiten und die Chronik ganz andere Möglichkeiten.

    4. Online können Datenbanken geführt werden, die dem Benutzer zugänglich gemacht und den Redakteuren die Arbeit erleichtern.

    Und es gibt noch so vieles mehr. Verlage schnallen es einfach nicht. Auch die Musikindustrie nutzt nicht ansatzweise, was ich mir in diesem Geschäft alles vorstellen könnte. Dabei geht es keineswegs um kostenlose Inhalte, sondern um Bezahlangebote für die es auch lohnt zu zahlen.

  9. Knut Behrends

    Harte Konkurrenz bilden wohl auch die Gratiszeitungen. Dies sind zwar Wochenzeitungen, aber da (bei mir jedenfalls ) wöchtentlich mindestens drei verschiedene Ausgaben davon im Briefkasten landen, ist es eigentlich eine Alle-zwei-Tage-zeitung. FÜr viele Leser ist das bereits mehr als genug Lesestoff, und der regionale Fokus der Gratiszeitungen deckt auch einen Großteil des Informationsbedarfs der Leserschaft ab. Die überregionalen Nachrichten kommen dafür aus Radio und Fernsehen.

  10. Martin

    Was mich an dieser „Erkenntnis“ stört: Ohne großen Verdienst keine Qualität. Lass uns über die Musikbranche reden:

    „Nur weil Musik künftig mehr gestreamt wird, kommt ja auch niemand auf die Idee zu glauben, wir würden keine Musik mehr hören.“

    Die Rechnung geht nicht auf. Natürlich will man weiterhin Musik hören, am besten umsonst. Aber gut gemachte Musik kostet Geld. Ein gutes Studio kostet, ein Produzent, von den Instrumenten und weiteren Kosten, die ein Musiker hat, mal ganz zu schweigen. Heute versuchen viele schon, diese Kosten einzusparen, viele Produktionen klingen dementsprechend „billig“ und schlecht. Weil logsicherweise kaum noch jemand Geld investiert in ein Produkt, das sich nicht rechnet, weil es eh jeder umsonst will…

    Brückenschlag zum Journalismus: Blogs sind toll. Aber kaum ein Blogger wird auf eigene Kosten um die Welt jetten, um sich Infos vor Ort zu holen. Ein gutes Netzwerk an Korrespondenten und Journalisten vor Ort kostet Geld. Geld, das online nicht zu verdienen ist. Sollten nun also die Tageszeitungen sterben, am besten gleich der komplette Printbereich – wer bitte bezahlt Menschen dafür, dass sie recherchieren, Skandale aufdecken, den Mächtigen auf die Finger schauen?

    Momentan gibt es alle Infos, die man sich nur wünschen kann, umsonst im Netz – weil diese Infos häufig von hauptberuflichen Journalisten zur Verfügung gestellt werden, die Infos auf den Homepages der großen Zeitungen zu finden sind. Was wird noch im Netz zu finden sein, wenn diese Leute alle arbeitslos sind und kein Blog die News bei den „großen“ holen kann. Es wird kein SPON geben, keine Süddeutsche online und keine FAZ online, wenn die jeweiligen Printausgaben erst eingestellt sind. Ok, auch keine Bild, das mag positiv sein ;o) Aber mir persönlich graut trotzdem vor dieser Entwicklung…

  11. Nania

    @Martin
    So sehr ich den Printbereich liebe – so sehr sehe ich auch das Problem der nebenberuflichen Blogger. Die Themenverteiliung innerhalb der Blogs ist häufig einseitig, die „Berichterstattung“ meistens eher ein ausgewalzter (was nicht schlimm ist) Kommentar und die Recherchemethoden unzureichend. Von Rechtschreibung und Satzbau mal ganz zu schweigen. Was einem da über den Weg läuft….

    Aber zurück zum eigentlichen Problem: Viele Printmedien haben es verschlafen, rechtzeitig auf die veränderten Umstände zu reagieren.
    Aber: Es ist auch nicht richtig, anzunehmen – gerade diese Meinung findet sich zu Hauf (!) im Internet – Blogs könnten die Arbeit von Journalisten ersetzten. Schon heute sind diese massiv unterbezahlt und gehören sicherlich zu den Akademikern, die für ihr langes Studium am wenigsten Geld verdienen. Aber auch das ist hier nicht Thema.
    Wenn ich mir die Blogs anschaue, auch die Newsblogs, die ich lese, fällt mir doch auf, wie viel an mir vorbeigeht, wenn ich nicht gleichzeitig auch mal einen Blick bei SPON reinwerfe oder mal in die Tageszeitung schaue.
    Und ich befürchte, dass viele in meiner Generation (20-30 Jahre) das nicht mehr tun. Das sie nur noch in den Blogs schauen, die sie interessieren. Dass sie viele weltpolitische Ereignisse nicht mitbekommen usw. Die Zeitung – und gerade der Print mit seiner „Blättermöglichkeit“ – hat immer noch die Fähigkeit den Blick des Lesers zu lenken. Und so sehr ich auch an das Gute im Menschen glaube – und an die Vernunft des Menschen – so sehr sehe ich auch das Problem, dass sich die Leute nicht mehr dafür interessieren, was neben ihren eigenen direkten Interessen passiert und es deshalb eben auch gar nicht erfahren.

  12. ST

    @ Nania: Mal ne gewagte Frage: Wie wichtig ist denn die Information über „weltpolitische Ereignisse“ eigentlich?

    Muss ich wissen, wer US-amerikanischer Präsident wird? Muss ich wissen, dass in Syrien Bürgerkrieg ist?
    Muss ich wissen, dass Japan in einer Rezession steckt?

    Wenn du diese Fragen mit „Ja“ beantwortest, dann schreibe bitte auch warum.

    Denn: Welche Auswirkungen hat der US-amerikanische Präsident auf das Leben in meinem Umfeld?
    Vielleicht wirtschaftlich? Allenfalls wenn ich in einem entsprechend sensiblen Bereich arbeite. Aber dann interessiere ich mich ja ohnehin dafür. Und ob Obama oder Romney US-amerikanische Steuern erhöhen ist doch völlig irrelevant, so einen großen Unterschied gibt es realpolitisch nicht.

    Und der syrische Bürgerkrieg?
    Vielleicht wenn es um einen europäischen/deutschen Militäreinsatz oder finanzielle Hilfen geht. Aber dann kann ich mir auch im nachhinein noch verschiedene Artikel zu diesem Thema zusammen suchen und mich informieren. (Und im nachhinein ist die Informationslage ohnehin immer besser!)

    Die japanische Rezession?
    … (Führe ich mal nicht aus wegen der Zeilenmenge…)

  13. Alexander Huber

    Ich finde den obigen Beitrag gut und er enthält für mich als Journalist auch viele ermutigende und erfrischende Gedanken. Dennoch möchte ich hier gerne mal ein wenig wider den Stachel löcken.

    Zunächst mal sollten die sogenannte Netzgemeinde und ihre Wortführer nicht der Versuchung erliegen zu meinen, sie und ihre Ansichten wären für eine ausgesprochen große Anzahl von Menschen repräsentativ. Das mag vielleicht mal soweit kommen, derzeit noch aber ist dieser Kreis – zumindest in Deutschland – vermutlich überschaubarer als es denen, die ihm angehören, wahrscheinlich lieb sein kann. Jedenfalls ist die Gefahr, im Netz im eigenen Saft zu schmoren und sich abseits großer Teile der Lebenswirklichkeit gegenseitig der eigenen Fortschrittlichkeit und der Gestrigkeit der anderen zu vergewissern, nach meinen Beobachtungen ausgesprochen groß.

    Ich bin Lokalredakteur bei einer Regionalzeitung und die meisten unserer Leser dürften von den Debatten, die hier und an anderer Stelle im Netz geführt werden, maximal den Hauch einer Ahnung haben. Übrigens auch unter den meisten jungen Leuten. Für sie ist das Netz vor allem eine bessere Form der Unterhaltung als es bislang das Fernsehen war, verbunden mit der Möglichkeit quasi unbeschränkt und ungehemmt kommunizieren zu können (was ja per se auch erstmal nichts Schlechtes ist). Nachrichten bedeuten auch für die meisten von den Jungen immer noch Zeitung oder Zeitschrift (meinetwegen auch online gestellt). Dass es sie trotzdem in der Regel nicht die Bohne interessiert, steht auf einem ganz anderen Blatt.

    Rechnet man die Online-Präsenz (die zum allergrößten Teil 1:1 aus der gedruckten Tageszeitung gespeist wird) ein (und auch ein wenig den Umstand, dass Zeitungen heute aus Geiz-ist-geil-Gründen mehr Mitleser haben als früher), dann hatten die Inhalte unserer Zeitung noch nie so viele Konsumenten wie heute. Das dürfte wohl für nicht wenige Zeitungen in Deutschland gelten. Das Hauptproblem ist nicht mangelndes Interesse, sondern eher mangelnde Zahlungsbereitschaft – stark befeuert von der Erfahrung der letzten Jahre, dass man – erstaunlicherweise – an einer bestimmten Stelle (online) Dinge umsonst bekommt, für die man an anderer Stelle (print) bezahlen muss.

    Der Hauptknackpunkt wurde erfreulicherweise schon von anderen Kommentatoren erwähnt: Woher stammen denn die relevanten Inhalte im Netz? Doch wohl in den meisten Fällen von denen, die diese Inhalte generieren können, weil sie dafür bezahlt werden, dass sie Inhalte für ein anderes Produkt erstellen, das sich noch, aber immer schlechter, verkaufen lässt. Wo bitteschön ist denn der originäre Webjournalismus? Welche Blogs fördern wirklich Nachrichten (News – Neuigkeiten!) zutage. Das ganze ach so kreative und wahnsinnig vielfältige Netz beschränkt sich doch in weiten Teilen auf das mehr oder weniger intelligente Wiederkäuen und Kommentieren von Nachrichten, die nur generiert werden konnten, weil sie quasi als Abfallprodukt der Kanäle ins Netz gelangten, mit denen sich noch ein wenig Geld verdienen lässt.

    Um nicht missverstanden zu werden: Mein Herz hängt nicht am Papier. Ich bin ein großer Fan der digitalen Informations- und Kommunikationstechnologie – und ich male mir oft genug aus, was wir als Journalisten alles damit anfangen könnten. Wenn es denn redlich vergütet würde – keine Träne würde ich auch nur einer einzigen Zeitungsseite nachweinen.

    Momentan aber geht es mir zunehmend auf den Sender, mir von ein paar webaffinen Oberschlaumeiern andauernd vorhalten zu lassen, für welch ein obsoletes Medium ich angeblich arbeite – ohne dass für mich erkennbar wäre, wie konkret die Alternativen für die Zukunft aussehen könnten. Wenn am Ende des Tages ein besseres Modell für den Journalismus herauskommt als die Tageszeitung – wunderbar! Wenn nicht – dann steht mehr auf dem Spiel als nur ein paar Arbeitsplätze. Dann können wir unser Ideal von einer offenen, demokratischen und transparenten Gesellschaft komplett in die Tonne treten.

  14. Udo

    Am Ende werden es vor allem die kleinen lokalen Tageszeitungen und die großen Flexiblen sein, die davon profitieren das auf Holz gedrucktes das Papier nicht wert ist:

    Mäntel, die täglich verkauft werden, aber im Innern nur einen Wochenzeitungen aktuellen Teil tragen, plus täglich aktualisierter Auflage für den kleinen Preis, den Freundes Papier dann sogar dazwischen legen können.

    Beide werden Analysen enthalten, die besten der Vorwoche bei Belang für die darauf folgende beispielsweise auch wiederkehrend-ergänzt. Beide können Kurzberichte enthalten, wenn sie denn keine weiterreichende Berichterstattung benötgen.

    Und der Mantel wird vor allem Eines: Er wird die Bezahlschranke öffnen zu den digitalen Ausgaben des täglich erscheinenden Innenteil, für den man dann nicht mehr in den Handel muss, „am Sonntag beim Brötchenholen“* aber darf.

    Vorteil für den Käufer: Diejenigen, die dann zwar ein Tablet oder Smartphone haben, aber keine Lust sich für ein Produkt beim Store mit Kreditkarte anzumelden, brauchen das auch nicht. Vorteil für den Verkäufer: Man muss nicht jeden Store bedienen, und keine Margen von bis zu 40 Prozent abliefern.

    *stark romantisierte Abstraktion :*)

  15. Wagner

    Was versteht der Autor unter Echtzeit-Journalismus? Das schnelle Bereitstellen von Informationen im Netz? Wenn dem so ist, dann betreiben die Tageszeitungen sehr wohl Echtzeit-Journalismus, nur sie machen damit keinen Gewinn. Und schwups sind wir wieder in der Debatte um neue Strategien der Tageszeitung und nicht beim „Ende der Tageszeitung“ (das seit wievielen Jahren von „Echtzeit-Journalisten“ angekündigt wird?).
    Der Vergleich mit der Musikindustrie hinkt auch wegen der fehlenden Definition von Journalismus. Journalismus ist eben nicht nur nicht Bereitstellung von Informationen (was mit dem Bereitstellung von Songs vielleicht vergleichbar wäre), sondern beinhaltet, Auswahl, Kontextualisierung, Kommentar, etc etc. In diesem Sinne mag die Tageszeitung im Bereich Aktualität und Rentabilität verloren haben, in allen anderen Bereichen ist sie aber weiterhin sehr lebendig.

  16. Schreiber

    Lässt man die Meinungsbeiträge zum Thema etwas sacken, stellt sich doch schnell heraus, dass die Debatte wieder in Richtung „Befindlichkeiten“ und in einen Meta-Diskurs über die „Zukunft des Journalismus“ abgedriftet ist.

    Was aber ist eigentlich passiert? Letztlich hat es einfach ein Marktteilnehmer in einer bestimmten Branche nicht geschafft, profitabel zu sein.

    Das Ende der FR nun als „Ende von Konzepten“ zu betrachten, oder als „Weckruf“ zu verorten, schießt über das Ziel hinaus. Die FR war schon nicht mehr profitabel, BEVOR das Internet die Medienlandschaft verändert hat, und dass sie – wenn eine der großen überregionalen Zeitungen mal sterben würde – diejenige sei, bei der das Risiko am größten ist, das vermuteten viele.
    Natürlich ist das jetzt aber ein dankbarer Aufhänger, um mal wieder eine Grundsatzdebatte anzufeuern, aber letztlich ist hier doch nur ein Marktteilnehmer verschwunden, der es nicht geschafft hat

    a) sich verändernden Kundenbedürfnissen anzupassen
    b) es nicht verstanden hat, sich gegenüber dem stärksten Wettbewerber in seinem Segment (taz) durch einen eigenständigen Markenkern abzugrenzen und zu profilieren

    Klingt kalt und nach Binsen? Ok, aber wofür stand die FR eigentlich? In welchem Ressort hat die sich profilieren können und sich damit ein Alleinstellungsmerkmal aufgebaut? Welcher Leitartikel hat da mal ein Echo hervorgerufen? Welche Autoren gibt es da, die selbst zu einer Marken geworden wären, so dass sie das Profil der Dachmarke stützen und schärfen würden?

    Das sind aus meiner Sicht die entscheidenden Fragen, wenn man denn eine Qualitätsdebatte führen will. Nicht „Online“ vs „Print“, oder ein Streit um Formate, Gratiskultur, oder Spekulation a la „Who is next?“.

    Aber nimmt man das Thema als Aufhänger für eine Grundsatzdebatte, dann sollte man auch unbequem werden. Aber nicht gegenüber einer Veränderungskultur oder den einzelnen Kräften, sondern am besten gegenüber sich selbst: Die „Zukunft des Journalismus“ liegt weder in nostalgischer Schwärmerei, noch in Meta-Kamingesprächen, noch in Format-Streits, sondern in der Klärung wirtschaftlicher Sachzusammenhänge und Abhängigkeiten des „Hier & Jetzt“.

    Wie wenig das aber passiert, sieht man an einer Entwicklung der jüngeren Vergangenheit, die zwar viele erwähnen und über die sich viele wundern, aber deren Hintergrund kaum hinterfragt wurde: Warren Buffet hat über 60 Zeitungen gekauft. Vor einem halben Jahr. Auf den Leitartikel, der sich mit allen Facetten nach dem „Warum“ beschäftigt&versucht Learnings daraus abzuleiten, warte ich bis heute…

    Es wird erwähnt und man wundert sich. Aha. Derlei Beispiele gibt es viele:

    – SpOn hat mit ca. 30Mio € Werbeeinnahmen in 2011 10% zum Gesamtumsatz des Verlages beigesteuert. Man erwähnt es und wundert sich. Die Frage, was die richtig machen und andere in der Branche nicht? Stellt niemand.

    – ePapers verkaufen sich besser als Tablet-Apps? Man erwähnt es, wundert sich und propagiert dennoch weiter fröhlich die Zukunft überladener RichMedia-Formate, die Lesern unterwegs ein multimediales Lesevergnügen bescheren sollen. Das täglich 300MB-400MB groß ist. Man wundert sich weiter.

    – Die NYT bietet einzeln an, hat aber auch einen Festpreis für ihre Digital-Abos (Web& plattformübergreifend alle Apps). „One Price Fits All“. In Deutschland muss man bei vielen Zeitungen für fast jeden digitalen Kanal extra bezahlen, täglich, wöchentlich, monatlich, jährlich. Leser wollen sich aber nicht „abschöpfen“ lassen, und über derlei Vertriebskonzepte, die für Verlagsleute in Stein gemeißelt scheinen, lacht die Generation Facebook gar nur noch. Man wundert sich weiter.

    Learnings anywhere?

    Und die Rahmenbedingungen?

    Journalisten scheinen vielfach kaum in der Lage, sich selbst, ihre Arbeitsleistung, die Position ihrer Verlage am Markt, oder deren wirtschaftliche Zwänge, adäquat zu bewerten und zu verorten. Oder das überhaupt zu wollen. Deshalb lassen sie sich

    a) leicht ausnutzen
    b) und sehen nicht voraus, wann und warum ihr Unternehmen am Abgrund steht

    Man flucht&ärgert sich, führt aber „Kaufmännische Grundbildung“ weiterhin nicht als einen festen Bestandteil in die journalistische Ausbildung mit ein. Wann wäre das jemals angebrachter gewesen als heute?
    Stattdessen wundert man sich lieber weiter.

    Irgendwie scheint es mir so, als hockte da eine ganze Generation Journalisten, die, über humanistische Gymnasien in Deutsch-Leistungskursen zum Abitur und dann über journalistische Ausbildung, oder geisteswissenschaftliche Studiengänge ans Schreibbrett gekommen ist, und jetzt, wo ihre Organisationen, ihre Unternehmen, die ihnen über Jahrzehnte sicher erschienen, den Bach runtergehen (oder aber von knallharten Controllern gesteuert werden) rumlaufen und sich in Bedauern und Systemfragen flüchten.

    Mythen, Moral, Ethik, Qualität, journalistische Tugenden, innere Redaktionsfreiheit und Binnenpluralismus…?

    Bitte derlei einpacken und aufsparen für das nächste Kamingespräch. Der Deutsch-Leistungskurs ist vorbei: Verlage verändern sich, werden E-Commerce-Player, koppeln sich an PR-und Werbewirtschaft und sichern damit ihre Erträge. So ist das halt.

    Aber ist das schlimm?

    Letztlich hat sich nichts geändert. Es war den meisten früher nur nicht so klar: Qualität wurde schon immer querfinanziert. Seit jeher füttern die Anzeigen-Gelder im Wirtschaftsteil das Feuilleton mit durch.

    Und heute? Füttert SpOn eben das Web. Was gut klickt, bringt die Aufmerksamkeit, lässt die Preise für Werbefläche steigen, bringt letztlich viel Geld rein, und wenn es so weitergeht, werden die SpOn-Werbegelder irgendwann vielleicht mal den Print-Spiegel querfinanzieren. Selbst wenn die Print-Redaktion vor lauter Empörung geschlossen mit Schnappatmung umkippen würde, es würde nichts daran ändern.

    Wer derlei Veränderungen nicht mittragen will, oder kann, weil es seiner inneren Überzeugung widerspricht, der wird scheitern, denn letztlich ist ein Verlag ein Unternehmen wie jedes andere auch: Ein Organismus, in dem Vitamine verarbeitet und Viren abgestoßen werden.

    Bei der FR gehen die Lichter aus, und man landet jetzt, mit Hilferufen und Durchalteparolen, mal in den Social News Aggregatoren? Schade, wäre man früher mal öfter mit irgendwas in den Aggregatoren aufgetaucht, wäre man jetzt vielleicht nicht pleite.

    Ja, das ist Popkultur, ja, das ist nicht schön, ja, das ist nicht die große journalistische Bühne, ja, es ist nicht angenehm, morgens gegen die Uhr und gegen die anderen mit irgendwas auf den Ticker zu kommen, aber es ist das, was die Kasse füllt, den Laden notfalls am laufen hält und einem den Freiraum schafft, auch andere Inhalte liefern zu können. Die weniger gelesen werden, aber die mehr glänzen.

    Mehr ist es doch nicht. Und selbst der verbittertste Herausgeber, die naivste Edelfeder, oder der bornierteste Qualitätsjournalist sollte sich die Frage beantworten, was besser ist:
    Sich verändern und auch mal mit Populär-Journalismus und Werbeformaten den Markt zu bedienen, oder aber „ehrenhaft“ zu scheitern und 4 Wochen vor Weihnachten zu erfahren, dass es für ihn nicht weitergehen wird…?

  17. Wiewoda

    Ich stimme Jakblog zu, dass das Modell „Tagesrückblick – nur 12 Stunden zu spät“ am Ende ist.

    Das schrieben viele aber schon vor dem New-Economy-Crash – und an dieser Tatsache hat sich auch nichts geändert. Gewohnheiten hängen uns aber wie treue Tierchen am Bein, die wir alten Herrschaften (ich bin Jahrgang 1976) eben nicht so schnell abschütteln. Will sagen: Ich fahre jeden Mprgen mit dem Fahrstuhl vom 7. Stock ganz runter zum Briefkasten, angele mir das Papierungetüm (das, wenn es besonders dick geraten ist, gerne bereits vom scharfkantigen Deckel zerfleddert wurde) – und inzwischen frage ich mich, wenn ich morgens – lange vor diesem mühsamen Gang – bereits bei Spon etc. die aktuellsten Nachrichten gelesen habe: Warum mach ich das denn noch? Es ist mehr das Ritual als die wertvolle, nützliche Information.

    Aber je jünger, desto mehr verschieben sich die Gewichte eben hin zu nutzenorientierten Betrachtungen bezüglich Zeitungspapier und dem Zeitpunkt, zu dem es bedruckt wird – je kürzer die Zeit der Betreffenden war, die sie ausschließlich mit gedruckten Zeitungen verbrachten in ihrem Leben… Ich sehe die vielbeschworene „Generation Y“-Theorie immer wieder bestätuigt: Die nach 1982 Geborenen haben keinen Bezug mehr zur Wooden Press. Und das wird ihr Verschwinden bedeuten. Aber die beiden Märkte werden noch eine ziemlich lange Weile nebeneinander existieren, mit beschleunigter Abwärtsbewegung für Print, weil die Werbetreibenden auch jünger werden, Kosten und Nutzen von Print-Anzeigenwerbung knallhart hinterfragen usw. usf. Und je nach Renditeerwartung verschiedener Verlagshäuser wird es dann für viele Zeitungen nicht mehr langen, wenn alle Spar- und Entlassungsrunden in der Redaktion – komisch, komisch – nur den Abwärtstrend weiter beschleunigt haben.

    Ich freue mich auf die Zeit, in der mehr nutzwertige Informationen und Services über Leser/Nutzer entscheiden als die Macht im Vertriebskanal und der Besitz von Druckmaschinen – und übrigens auch Wissen über Journalismus. Aber die völlige Demokratisierung und „Schwarm“-isierung der deutschen Presselandschaft im Sinne des Bloggertums wird auch nicht kommen. Die Verlage könnten die besten Blogger unter Vertrag nehmen – wenn die denn wollen und nicht ganz anderen Berufen nachgehen… Aber was mich unendlich freut: Die einstmals bildungsbürgerlichen Gatekeeper der klassischen Abonnementszeitungen verlieren ihre Wächterrolle.

    Was denn nun des Lesens würdig ist, haben ja tatsächlich jahrzehntelang die Herren Chefredakteure und Ressortleiter wie weise Väter für uns bestimmt. Und dabei kam dann raus, was eben so in den Kanon des von der jeweiligen Tageszeitung so repräsentierten bildungsbürgerlichen Weltbilds passt (USA ja, Afrika nein, alles was sich mit ökonomischen Zweckmäßigkeiten begründen lässt, eher ja…usw). Da kann ich nur sagen: Schade. Bye, bye, die vierte Gewalt im Staate verteilt sich künftig auf ein paar Schultern mehr. Das Prinzip Wikileaks wäre hier auch mal wieder zu würdigen, gerade wenn ich an den von der BBC vertuschten Kindermissbrauchs-Skandal denke….

    Long story short: Ich würde bedauern, wenn für qualitätsvolle Texte und damit verbundene Services keine anständigen Preise bezahlt werden.

    Aber ich sehe es genauso wie Jakblog bzw. seine Kommentatoren: Das Geschäftsmodell der Tageszeitung – qualitätsvoller Text plus sauteure ganzseitige Anzeige in 4c daneben ist – eben auch schon zu 50 Prozent Querfinanzierung, wenn 50 Prozent des Arbeitsplatzes der Edelfeder, die den Text daneben geschrieben hat, eben über Anzeigen und nicht vom Leser durch Abonnement oder Einzelverkauf bezahlt werden. Jetzt ändert sich das Geschäftsmodell, die Querfinanzierung wird anders erfolgen müssen. Und da wird sich was finden, ich bin mir sicher.
    Und da sehe ich die Analogie zum Bereich Musikvermarktung genauso: Schallplatten- und CD-Verkäufe schwächeln wirtschaftlich wegen struktureller Veränderungen (die Digitalisierung/Internet ist eine solche). Dann lebe das Konzert mit Eintrittspreisen, für die mal locker das Drei- oder Zigfache bezahlt wird, verglichen mit der Zeit vor 20 Jahren. Natürlich endet die Analogie zur Musik an vielen Stellen: Die Tageszeitungen transportieren Geschriebenes, das Internet transportiert auch Audio und Video. Das hat natürlich Konsequenzen für künftige Informationsvermittlung. Es wird eine Konzentration geben auf den Kernnutzen, der hinter Tageszeitungen steckt: Alltag-Nutzwert-Information – was läuft im Kino, Theater, wo ist das Heizöl am billigsten) / Teilhabe an der Gemeinschaft – Diskussion, Bestätigung, Identifikation der eigenen Identität über das Gefühl, zu einer Gemeinschaft z.B. linksliberaler, sozial engagierter Bürger zu zählen (wofür wohl in etwa die Frankfurter Rundschau steht) – und hier sind wir an einem höchst interessanten Punkt, den die Tageszeitung abdeckt, wie es Facebook oder andere dialogorienterte Tools im Internet noch nicht vermögen: Statussymbol zu sein für die eigene Selbstvergewisserung: Ich bin ein Akademiker – dieser gefühlte Nutzen steckt etwa in der Marke „Die Zeit“. Und „Die Zeit“ versucht das ja z.B. auch betriebswirtschaftlich umzumünzen: Vortragsreihen, Seminare. Universität der Leser? Bietet „Die Zeit“ schon an mit „Seminar“/Weiterbildungs-Programmen zu Themen aus einem bildungsbürgerlichen Kanon oder aus universitären Curricula. In diese Richtung könnte viellecht ja auch die Reise gehen für Zeitungen/TV/Radio – Online-Bürgeruniversität mit qualitätsvollem Austausch über aktuelle Tagesthemen im Online-Bürger-Newsroom – ob sich damit die Erlöse aus seligsten Printzeiten erwirtschaften lassen? Keiner weiß…

  18. kilroy

    @Schreiber:

    Chapeau!

  19. JH

    Es ist nicht die Frage, ob das Trägermedium einer Zeitung Papier oder eine PDF-Datei bzw. ein APP ist.

    Das Problem ist die miserable inhaltliche Qualität der deutschen Tages- und Wochenzeitungen. Warum soll ich mir von einem „Journalisten“ Fachinhalte darstellen lassen, der in dem jeweiligen Fachbereich wenig bis gar nicht qualifiziert ist?
    Beispielsweise strotzen die Wirtschaftsteile vieler Zeitungen, ob Handelsblatt, Zeit, FTD, Spiegel etc. nur so von Fehlern und Halbwissen. Man müsste zunächst einmal in den jeweiligen Fachbereichen die jeweiligen „Fachleute“ einsetzen, also Ärzte, Diplom-Kaufleute, Juristen, Architekten, Volkswirte etc. Die alleinige Qualifikation „Journalist“ wird nicht benötigt, da diesen Menschen der fachliche Hintergrund fehlt.
    Ein weiteres Problem ist bekanntlich die sterotype-Propaganda, z.B. „Deutschland geht es gut“, die „Journalisten“ völlig unkritisch von PR-Abteilungen der Konzerne, der Verbände, der Parteien und der Regierungsorgane übernehmen –

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