Doch, ja: Der DJV und seine Onliner haben auch dieses Jahr wieder eine hübsche Veranstaltung mit „Besser Online“ hingestellt. Es waren solide Gäste mit soliden Diskussionen in einem soliden Ambiente, kurz gesagt, es war: sterbenslangweilig. Bevor jemand auf den Gedanken kommt, es folge jetzt ein intensives DJV-Bashing: nein, folgt nicht. Ich saß selbst auf zwei Podien und habe mich mehrfach gefragt, ob ich nicht gerade das liebe Publikum zu Tode langweile. Da kann der Veranstalter nichts dafür, aber ich glaube, ich habe keinen einzigen Satz gesagt, den ich nicht auch in irgendeiner Weise letztes Jahr gesagt habe und im Jahr davor. Mein schlechtes Gewissen darüber hält sich in Grenzen, weil ich den Eindruck bei ungefähr allen anderen auf den Podien auch hatte.
Ich glaube auch nicht, dass die Teilnehmer in diesem Jahr einfach mal ein bisschen lustlos waren. Eher glaube ich, dass wir es 2011 zum ersten Mal seit Internetgedenken mit einem Jahr zu tun haben, in dem nicht laufend neue Onlinesäue durchs Netzdorf getrieben werden, zumindest nicht, wenn es um Medien und Journalismus geht. Soziale Netze? Sind durch, was Facebook und Twitter sind wissen von der Bundespressekonferenz abgesehen inzwischen beinahe alle. Wirklich neue Erkenntnisse dazu gibt es nicht, der Hype um das bemüht bemühte Google Plus ist auch wieder weg und irgendwo dämmert es dem einen oder anderen womöglich gerade, dass sich mediokrer Journalismus nicht dadurch kompensieren lässt, indem man ihn automatisiert bei Facebook und Google und Twitter anpreist. Den wirklich großen anderen Trend sehe ich Momenten auch nicht — und das muss ja kein Schaden sein, eingedenk der Tatsache, in den letzten 15 Jahren mindestens 30 großen Trends hinterhergehechelt zu sein. Dafür spricht übrigens die Tatsache, dass auch die Publikumsfragen bei „Besser online“ so wirkten, als hätte einfach jemand die Fragen aus 2010 abgeschrieben und nochmal hervorgekramt.
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Zumindest beim Thema „Selbstvermarktung“ (ich saß zu diesem Thema mit auf dem Podium) hat sich der mir angeborene Trotz gepaart mit ein bisschen Unwillen gemeldet. Die Debatte darüber — ebenso wie zum Thema „Unternehmerjournalismus“ (über das wir im „Universalcode“ trotzdem ein Kapitel haben) — geht in eine falsche Richtung: Wenn man aktuell den Verfechtern des gehobenen Eigenmarketings lauscht, bleibt der Eindruck, man müsse nur einen ordentlichen Social-Media-Mix entwerfen und ab und an bei Twitter postulieren, man gehe jetzt zu „Besser online“ und sagt dort vielleicht auch mal was, um als Journalist wahrgenommen zu werden. Die Sache mit dem Marketing in allen Ehren, aber wenn ich mir für „Besser Online 2012“ etwas wünschen dürfte, dann ganz viele Debatten über journalistische Inhalte (im Netz und gerne auch anderswo). Und ganz wenig Gerede über Marketing. Wenn mich dann noch jemand dazu einladen sollte, würden mir vielleicht auch wieder ein paar Sätze einfallen, die ich noch nicht gesagt habe.
Bildjournalisten und Fotografen, die über Pixel, Soft- und Hardware diskutieren, aber nicht über das, was ihr Beruf ist: Bilder zu machen.
Schreibende Kollegen, die über ähnliches diskutieren – aber nicht über die Kunst, Geschichten so zu erzählen, dass man sie gebannt liest und sich mehr davon wünscht.
Alle zusammen diskutieren über CrossMedia, Sinn und Unsinn von Multimedia, über Technik und tausend Tralala. Über die Inhalte? Die fliegen einem nicht zu, die sind harte, ziemlich undigitale Arbeit: An dem Menschen, der die Geschichten erzählt, an seinem Können, seinem Denken und Erleben. Täglich, immer wieder.
Im Forum Selbstvermarktung sagte eine Teilnehmerin: „Man muss für etwas brennen…“ und ich gebe ihr unumwunden recht. Eigentlich eine Binse, trotzdem – ohne Leidenschaft für das, was man tut, geht nichts im Leben.
War zwar nicht dabei, durfte mir aber gestern von einigen Teilnehmern in einer bonner Kneipe anhören, dass sie nicht das Gefühl gehabt hätten auf einer Journalismus-Veranstaltung gewesen zu sein, eher auf einer SEO-Konferenz. War es so schlimm?
Kann Christian Jkaubetz nur zustimmen: Irgendwie alles schon einmal 2010 und 2009 gehört. Bewegung: Fehlanzeige. Die Diskussionen sind wie so oft in „Ich glaube, nichts genaues weiß man nicht“-Monologe ausgeartet. Moderation und Publikum haben es leider zu oft vorgezogen, die Twitterwall zu checken als einzuschreiten.
Großes Manko wie in den vergangenen Jahren auch: Auf dem Podium saß nicht ein Vertreter der Medienhäuser. Denn die werden leider noch eine gewisse Zeit bestimmen, ob und wo im Internet investiert wird.
Meiner Meinung nach wäre es auch sinnvoll, eine Dokumentation zur Tagung (jenseits von markigen Tweets) anzulegen- als konstruktives Ergebnis und Ausgangspunkt weiterer Diskussionen.
@FS: Ich war bei der gesamten Veranstaltung dabei und habe den ganzen Tag lang nur einen einzigen Satz über SEO gehört. Die von dir zitierten Teilnehmer müssen die für sie falschen Podien herausgesucht haben. 😉
@Christian: Danke fürs Feedback! Es ist eine ständige Herausforderung, den Spagat zwischen grundsätzlichen Einsteigerinfos und inspirierenden Profidiskussionen hinzubekommen. Für 2012 verspreche ich dir eine Einladung zu Letzterem!
@Ardalius: Dass keine Vertreter aus dem Management der großen Medienhäuser auf den Podien saßen, liegt nicht daran, dass wir als Veranstalter es nicht versucht hätten. Andererseits: Bei Konferenzen, bei denen sie mit von der Partie sind, vermitteln sie meist auch nur Ratlosigkeit (natürlich gepaart mit offensivem Optimismus).
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Klar, die Inhalte wiederholen sich, weil sich auch die Teilnehmer wiederholen. Die Karawane der üblichen Verdächtigen zieht eben immer von Konferenz zu Konferenz. Aber holt man sie nicht auf die Podien, dann heißt es wieder: War ja niemand da, den man kennt. Ich persönlich kann mittlerweile auch gut auf Jeff Jarvis verzichten. Obwohl Skype doch noch ein bisschen Spannung reinbrachte, weil man ja ziemlich raten musste, was er nun in den Ton-Aussetzern gesagt hatte 🙂
Außerdem: Auf Einsteiger-Podien – und als solches war die Podiumsdiskussion Selbstvermarktung deutlich im Programm gekennzeichnet – erzählt man eben selten Neues. Trotzdem kann es den Zuhörern was bringen.
@ Peter: Sehe das mit dem Spagat genauso. Veröffentlicht ihr eigentlich das Feedback aus dem Fragebogen? Würde mich interessieren, ob es mit dem Echo der Blogs übereinstimmt.
@Ardalius: Ich halte Chefredakteure durchaus für die Vertreter von Medienhäusern.
@ Heike Rost, @ Peter Jebsen: Das Urteil über eine Veranstaltung mit vier bis fünf parallelen Veranstaltungen ist ja immer schwierig. Beim Thema Datenjournalismus zum Beispiel ging es durchaus um Themen. Aber natürlich auch um die spezifische Aufbereitung. Finde ich auch verständlich – die Themen sind ja nicht online-spezifisch. Die wichtigen finden sich – hoffentlich – überall.
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@ Peter Jebsen: Vor euren Mühen habe ich großen Respekt. Nach den Besuchen der letzten drei Ausgaben von Besser Online komme ich aber zu dem Schluss, dass es so aber auch nicht mehr weitergehen kann. Es müssen auch mal Entscheidungen her. Polemisch formuliert: Entweder die Medienhäuser ziehen bei der Finanzierung und Investition mit, um vielleicht auch selber irgendwann mal etwas zurückzubekommen. Dazu müssten aber die Vorbehalte zwischen DJV und Medienhäuser abgebaut werden, es müsste eben gezeigt werden, dass man diese Branche liebt und zusammen in einem Boot sitzt. Oder es müssten mithilfe der innovativen Köpfe gemeinsame Konzepte „von unten“ entwickelt werden, um das journalistische Vakuum zu füllen (zum Beispiel in Form von „Manifesten“). Dazu müsste aber die Selbstbespiegelung/-beweihräucherung aufhören und endlich auch mal konstruktiv über Themen diskutiert werden. Bezeichnenderweise lese ich in vielen Fazits zur Veranstaltung viel scharf formulierte Kritik, auch von Podiumsteilnehmern, – nur war davon während der Veranstaltung nichts zu hören.
@ Angelika Knop Meine Aussage bezieht sich tatsächlich auf das Management der Medienhäuser.
@Angelika Knop: Es gibt unter den „üblichen Verdächtigen“ diverse, die ich gern auch in Zukunft jedes Jahr bei „Besser Online“ sehen würde. Die Herausforderung liegt darin, durch pointierte Themen und originelle Fragen dafür zu sorgen, dass ihnen (wie Christian es sich wünscht) ein paar Sätze einfallen, die sie so noch nicht gesagt haben. In Einsteigerworkshops ist dies, das muss ich selbstkritisch zugeben, nur bedingt möglich.
Jeff Jarvis empfand ich als Bereicherung. Seine Thesen wurden auch nach der Tagung erfreulich intensiv diskutiert – Ziel erreicht!
@Ardalius: Mir ist nicht ganz klar, worauf sich deine Bemerkungen über „die Medienhäuser“ beziehen. Wünschst du dir, dass DJV und Medienhäuser bei „Besser Online“ gemeinsam zukunftsweisende Konzepte entwickeln? (Falls ja: Warum sollte es da Vorbehalte seitens des DJV geben?)
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@Peter Jebsen Die Vorbehalte gibt es sehr wohl: Es soll Kollegen geben, die in den Medienhäusern redaktionsentfremdete Investitions-Heuschrecken sehen. Und es soll Medienhäuser geben, die den DJV als betriebsfeindlich ansehen und ihre Angestellten mit „sanftem“ Druck darauf drängen, nicht beizutreten. In der aktuellen Situation, in der klassische Geschäftsmodelle nicht mehr rentabel laufen, journalistische Standards und die Kontrollfunktion nicht mehr gegeben sind und in der sich viel Frust beim journalistischen Nachwuchs breit macht, macht es einfach Sinn, Geld und Know-How zusammenzubringen. In welcher Form auch immer: Das könnten „Manifeste“, Arbeitsgruppen oder kleine Start-Ups unter dem Dach von Medienhäusern sein. Vielleicht müsste aber auch noch mehr gemeinsam über den eigentlichen Wert von Journalismus gesprochen werden.
@Ardalius: Dumme Vorurteile helfen niemals weiter. Journalisten, die z. B. nicht zwischen engagierten mittelständischen Familienunternehmen und „redaktionsentfremdete Investitions-Heuschrecken“ unterscheiden können, und Manager von Medienhäusern, die alle Repräsentanten von Berufsorganisationen für verblendete wirtschaftsfeindliche Ideologen halten, sind definitiv nicht für die Zukunft gerüstet.
Über den „Wert von Journalismus“ wurde und wird zwischen allen Beteiligten viel gesprochen. Schön wäre es, wenn dabei ein Konsens entstünde, der Qualitätsjournalismus fördert, anstatt ihn u. a. mit Dumping-Honoraren und -Gehältern sowie zunehmender Arbeitsverdichtung zu behindern.
@Peter Jebsen Amen…(vielleicht beim nächstem „Besser Online“)
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