Die Medienseite der „Süddeutschen Zeitung“ klang irgendwie enttäuscht in diesen Tagen: All die schönen Hoffnungen, die die Verlage in das iPad gesetzt hatten, seien nicht erfüllt worden, beklagte man. Stattdessen habe sich Apple als eine Art Kontrollfreak erwiesen, der in erster Linie an seinen eigenen Verdienst denke und vor allem den Verlagen die Beziehungen und Kontakte zu seinen Kunden aus der Hand nehmen wolle.
Das ist nun wirklich überraschend — also, nicht etwa, dass Apple in erster Linie sein eigenes Business betreiben will. Sondern dass man in der SZ und in den Verlagen erst jetzt auf eine Erkenntnis kommt, die alles andere als neu ist. Apple, der Riesenkonzern, der es sich sogar erlaubt zu entscheiden, dass eine weltweit gebräuchliche Software nicht auf seine Geräte kommt, ein Konzern, der weltweit den großen Telkos vorgibt, wie und was sie mit seinen hübschen Handys machen dürfen und der es sich erlauben kann, einer einzigen Firma die Exklusivrechte zm Vertrieb seines Handys zu geben und alle anderen, gewiss nicht kleinen Mitbewerber auszuschließen — dieser Konzern also soll besondere Rücksichten auf die Befindlichkeiten deutscher Zeitungsverlage nehmen? Mr. Jobs wird im Stillen lächeln über diese absonderliche Vorstellung. Zuma, es so aussieht, als dämmere es der SZ und einem beträchtlichen Teil der deutschen Verlage, welche Rolle ihnen in der neuen Medienwelt noch zukommt. Es ist eine deutlich kleinere als bisher. Ob die SZ oder sonstwer eine App für das iPad anbietet, ist Apple im Zweifelsfall völlig egal. Der SZ (oder sonstwem) sollte es das nicht sein.
Das das iPad nicht per se die Rettung der darbenden Branche sein würde, war von vornherein absehbar. Das ipad wie alle anderen Tablets auch sind keine Zeitungslesegeräte. Womöglich haben Zeitungen und journalistische Angebite dort auch ihren Platz, aber eben nur neben irgendwelchen Spielen, praktischen Anwendungen und all dem andere mehr oder wenigen nützlichen Kram, der auf einem solchen Ding installiert ist.
Das iPad (wie alle anderen Tablets) ist also kein Papierersatz. Es rettet nichts, außer Apple. Trotzdem ist es unsinnig, jetzt die Enttäuschung herauszukehren und zu lamentieren, dass Apple bei seinem Produkten und seinen Geräten erstmal an sich selbst denkt. Tatsächlich kommt hinzu, dass in vielen Häusern dem iPad anscheinend eine Art Selbstheilungskraft für Verlage zugesprochen wurde. Man geht irgendwie aufs iPad und dann wird alles gut. Gemessen an dieser (unrealistischen) Erwartungshaltung ist enttäuschend wenig passiert.
Der „Spiegel“ hat eine App an den Start gebracht, der man wenigstens attestieren muss: Sie versuchen es. Die App ist schnell und einfach bedienbar, journalistisch gesehen versucht sie sich wenigstens an einigen Mehrwerten. Jeder Ausgabe liegt quasi ein virtueller Beihefter in Form eines größeren Videobeitrags bei, dazu wird der eine oder andere Beitrag mit Videos und Animationen ergänzt. Das ist irgendwie rührend bemüht, weil man sich bei dem einen oder anderen Video, das zu einem Beitrag dazugepappt wird, schon fragt, wo man den denn jetzt rumliegen hatte. Zudem gibt´s vertonte Slideshows oder kurze Video-Gespräche mit den Autoren einer Geschichte. Das alles ist, wie gesagt, ganz hübsch, aber noch kein wirklicher Grund, für die iPad-Ausgabe 15 Cent mehr als für den gedruckten Spiegel zu bezahlen. Immerhin hat man ihn dann jetzt aber schon am Samstag abend, was den meisten eher egal sein dürfte, für Journalisten ist der Zeitvorsprung aber durchaus relevant. Inzwischen gibt es eine neue Version der App, die ein paar zusätzliche Funktionen bietet wie beispielsweise das Offline-Sehen der Videos.
Die „Zeit“ gibt es seit dieser Woche ebenfalls als App — dort geht man den entgegengesetzten Weg. Zwar konzentriert sich die „Zeit“ weitgehend darauf, dass man das gedruckte Exemplar lesen kann, allerdings ist die iPad-App selbst nach Ende der Einführungsphase deutlich günstiger als die gedruckte Ausgabe. Davon abgesehen: Bei der „Zeit“ kommt zumindest für mich ein erheblicher Bequemlichkeitsfaktor hinzu. Das Format der gedruckten Ausgabe fand ich immer unerträglich und ein Kilo Papier irgendwohin mitzunehmen auch. (Nebenbei: Manche Kommentare der „Zeit“ wie jetzt beispielsweise zum Urteil im Brunner-Prozess, das man irgendwie zum Justiz-Skanda verklären wollte, halten mich dann tendenziell von einem Abo ab. Jens Jessen sowieso. Aber es zählt der gute App-Wille).
Und sonst? Die SZ, die sich über Apple beklagt, bietet eine hochgradig ausbaufähige iPhone-App, auf dem iPad ist sie nicht zu sehen. Ebenso wenig wie eine FAZ, ebenso wenig wie viele andere große und mittelgroße Blätter. Und dort, wo man über erste Planungen über eine App nachdenkt, reduziert man sich letztendlich darauf, Inhalte reproduziere zu wollen. Das iPad als neuer Vetriebskanal, das war´s. Das man Journalismus auf dieser Plattform völlig neu denken müsste, neu erfinden müsste — auf die Idee kommen die meisten bei ihren Planungen nicht.
Interessant daran: Fast kein Verlag wird müde zu betonen, dass die lieben Leser durchaus bereit wären, für Inhalte auf dem iPad zu bezahlen. Es gibt sogar die nicht ganz falsche These, dass der Begriff Website bei den meisten die Assoziation „kostenlos“ wecke, während man bei einer App wisse: Das kostet was. Nachvollziehbar, nur eine Frage wird ein bisschen arg wenig beantwortet: Für was sollen die Leute denn so gerne ihr Geld ausgeben? Für das, was sie vorher gedruckt schon nicht gekauft haben?
Natürlich hat zur Zeit statistisch gesehen nur jeder 800. Deutsche ein iPad. Aber die Zahl der Tablet- und App-Benutzer dürfte sich in den kommenden zwei, drei Jahren massiv erhöhen. Man muss befürchten, dass das Lamento über die neue Digitalwelt dann in die nächste Runde geht.
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Mal ehrlich. Man möchte verkaufen und lässt den gesamten offenen Android-Markt links liegen? Stattdessen lässt man sich lieber bei Apple einsperren? Gibt es dafür eine logische Begründung? Schließlich ist die Verbreitung von Android deutlich höher. Und um die Verbreitung müsste es Verlagen gehen.
Tablets gab es schon weit vor dem Ipad und alle, die so begeistert sind, haben das schlichtweg nicht mitbekommen. Auch sehe ich nicht, dass es deutliche Anhaltspunkte gibt, dass die Zahl der Nutzer dieses Apple-Produkts und der kostenpflichtigen News-Apps sich in den nächsten Jahren „massiv erhöhen“ wird. Und wenn schon – es wird ein Randphänomen bleiben und gewiss nicht das Standardprodukt der breiten Masse der Medienkonsumenten.
Weiterhin finde ich solche Artikel – wie auch die anderer „Printkritiker“ – immer etwas widersprüchlich, um nicht zu sagen scheinheilig.
Einerseits wird zu Recht bemerkt, dass die Printbranche wieder einmal auf die Heilsversprechen eines Anbieters hereingefallen ist – und festgestellt, dass das doch alles mal wieder so absehbar war, weil solche Apps keinen ausreichenden Nutzengewinn stiften.
Trotzdem rät man den Verlagen aber dann, noch mehr in die Entwicklung und Verbesserung dieser News-Applikationen zu investieren.
Warum nicht die ganze Wahrheit aussprechen? Statt nüchtern einmal festzustellen, dass es aufgrund der Marktbedingungen einfach nicht klappen kann, für das Gemeingut Nachrichten (und seien sie auch noch so nett verpackt) im Netz nennenswerte Geldbeträge zu verlangen, berät man die Verlage, dauerhaft Geld zum Fenster rauszuschmeißen.
Das ist unternehmerisch – und darum geht es – völlig sinnlos. „Ihr werdet so oder so alle untergehen, weil ihr nicht mehr gebraucht werdet“ ist natürlich nichts, was der Verlagskunde hören will, schon klar. Aber konkrete, gewinnbringende und -erhaltende Lösungsvorschläge sind gefragt: dazu gehört, überkommene Geschäftszweige ordentlich abzuwickeln ebenso wie andererseits sinnvoll(!) zu investieren.
Also: Das setzen auf falsche Pferde ist genau so unangebracht wie das reiten von toten Pferden.
Na ja, die bekannte Geschichte von Zwergen auf den Schultern von Riesen
Dieses grundlegende Missverständnis der Verlage war schon im April abzusehen: http://fastvoice.net/2010/04/12/das-grose-medien-missverstandnis/
Noch ist der Zug aber nicht abgefahren. Vielleicht kommt ja noch der eine oder andere Verlagsmanager auf den Trichter, dass originärer, exklusiver Content (egal, in welchem Medienformat) durchaus zum Geschäftsmodell taugen könnte.
Das Problem ist, dass sich alle auf eine Plattform einschießen. Was ist mit Android? Oder besser noch, warum nicht mal vernünftige Apps für Webos oder MeeGoo entwickeln? Die verbreitung der Smartphones ist noch kleiner aber sie wird kommen. Diese Tablets sind (und werden) viel offener sein als iOS.
In Bezug auf die vorherigen Kommentare: Warum iPad und nicht Android?
Weil Apple eine zentrale Infrastruktur hat, die von allen Kunden genutzt werden kann und die 160 Mio. aktive Käufer hat.
Außerdem gibt es praktisch noch kein käuflich erhältliches Android-Pad und die meisten davon haben keinen Zugang zum Android Market.
Außerdem gelten Apple-Kunden nicht zu unrecht als konsumfreudig, geben mehr Geld für Inhalte wie Apps aus als andere Markenbesitzer.
Aus wirtschaftlicher Sicht bleibt da für Anbieter fast nur Apple – zumindest dann, wenn man seine Ressourcen bündeln muss.
Dass der App Store nicht DER Heilsbringer für Verleger sein kann, war eigentlich klar, es kann aber ein weiteres Nebengeschäft sein.
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Wir machen 10% des gesamten Websitetraffics über unsere App und quasi 99% der Digital-Print-Umsätze mit dem iPad.
Vorher hat nämlich fast niemand Digitalausgaben gekauft. Das ist doch schon mal was.
@Patrick – So isses, das ist schon mal was. Apple hat diese Infrastruktur inkl. Micropayment-Abwicklung hingestellt. Und der Markt entwickelt sich gerade. Zeit und Spiegel kommen jetzt, die Welt hatte zum iPad-Start eine App. Den SZ-Artikel fand ich in der Argumentation zu schlicht, so wie auch diesen Blogbeitrag:Es ist der Anfang. An dem Zeitpunkt, der eine abschließende Betrachtung erlauben würde, sind wir noch lange nicht. Kein Verleger hat erwartet, dass im September 2010 die Branche gerettet wäre.