Wenn man nicht gerade über die Maßen naiv ist, dann weiß man das: Volontariat ist zwar ein wohlklingendes Wort, dahinter verbirgt sich aber nicht selten etwas, was mit Ausbildung nicht wirklich viel zu tun hat. Volos, die über Wochen hinweg das Blatt alleine stemmen müssen, Volos, die de facto billige Arbeitskräfte und nicht mehr sind – das alles hat man immer wieder mal gehört und sich (leider) achselzuckend damit abgefunden.
Gestern dann aber eine Veranstaltung mit (Zeitungs-)Volontären, bei der mir fast die Luft weggeblieben ist: eine Gruppe mit einem guten Dutzend, von denen kein einziger mit seinem Volontariat auch nur halbwegs zufrieden war. Eine Gruppe (aus ganz unterschiedlichen Häusern), für die es selbstverständlich war, dass es keinen Ausbildungsplan gibt, keinen Redakteur, der sich um sie kümmert, kein Feedback, keine Anleitung, einfach nichts, außer: mach mal.
Das ist dann doch ziemlich verblüffend, weil man auf der anderen Seite gerade in den jetzigen Debatten um die „neuen“ Medien immer wieder hört, wie wichtig gut ausgebildete Journalisten seien, die gehaltvollen Qualitätsjournalismus liefern und damit all den ganzen bloggenen, twitternden und sonstwie publizierenden Laien etwas entgegensetzen zu können. Lass die doch irgendwelchen Blödsinn schreiben, heißt es aus der Qualitätsprinterecke immer wieder gerne, wirklich relevant sind nur wir; wir uns unsere Qualität. Qualität, die daraus besteht, dass man den bisher unbezahlten Praktikanten in den Status des nicht selten untertariflich bezahlten Volos befördert, ihn aber ansonsten weiterhin unbeaufsichtigt arbeiten lässt?
Komisch ja auch: niemand käme auf die Idee, einen Maurerlehrling mal eben alleine und unbeaufsichtigt und ohne Anleitung an einem Haus bauen zu lassen. Bei Qualitätsmedien, bei unserem „4. Stand“ ist man da wesentlich salopper.
Stefan Niggemeier schrieb in den letzten Tagen von einem „Kulturkampf“ gegen das Web 2.0. Da ist was dran. Allerdings, wenn dem so sein sollte, dann gehen die Kulturkämpfer eher mit schlecht ausgebildeten Truppen in den Kampf.
Übrigens, im Mai bin ich auf dem Süddeutschen Journalistentag auf einem Panel zum Thema „Bloggen, twittern – neue Sündenfälle im digitalen Zeitalter.Über Ethik im Journalismus.“ Gerade im Moment kommt mir diese Debatte ziemlich abgehoben vor.
Ich dachte schon, das sei ein Schreibfehler, das ein Panel allen Ernstes “Bloggen, twittern – neue Sündenfälle im digitalen Zeitalter.Über Ethik im Journalismus“ heißen soll. Aber dann ich habe ich auf den Link zum Süddeutschen Journalistentag geklickt und gesehen, dass der vom DJV veranstaltet wird. Da war’s dann klar.
Mich hätten die unterschiedlichen Häuser interessiert.
Denn die Häuser, die die Zeichen der Zeit erkannt haben, bilden gut und professionell aus. Dass es immer wieder Medien gibt, in allen Verbreitungsformen, die sich einen Dreck scheren, ob ihre Volontäre gut ausgebildet werden, solange sie täglich die Zeitung oder den Sender mit Inhalten beliefern, ist leider so. Doch die werden früher oder später merken, dass es so nicht geht, weil diese unausgebildeten Leute eben irgendwann am oberen Ende der Hierarchie ankommen, wenn die alten, die sie „ausgebildet“ haben, in Rente gehen. Dann bleiben die Leser, Hörer oder Zuseher aus und alle fragen sich, was sie falsch gemacht haben.
Ich bin davon überzeugt, dass der Journalismus sich erholen wird. Nicht sofort, aber in naher Zukunft, wenn nach und nach die an den Universitäten ausgebildeten Journalisten (nicht Kommunikationswissenschaftler, sondern Journalistik-Absolventen aus Leipzig, Dortmund oder anderen Unis, die jetzt langsam nachziehen) an die Arbeit gehen.
Wenn allerdings sogar RTL, vielleicht meistgesehen in Deutschland, zum Amoklauf nach Winnenden jemanden schickt, der „journalistische Ethik“ vermutlich noch nie gehört hat, dann wird mir Angst und Bange. Vor allem um die Glaubwürdigkeit. Auch der Spiegel tut sich mit seinem momentanen Kurs keinen Gefallen.
Natürlich geht es immer darum und muss es immer darum gehen, die Leute zu erreichen. Dass das allerdings nicht nur durch Boulevardisierung und Infantilisierung möglich ist, muss sich in allen Köpfen durchsetzen. Das Problem ist halt, dass es immer schwarze Schafe geben wird, die meinen, sich über bestimmte Regeln hinwegsetzen zu müssen. Die ziehen dann den gesamten Journalismus in einen Sog, aus dem sich die anderen Medien nur gemeinsam befreien können. Wenn sie ALLE an den Pressekodex halten würden (oder müssten), dann wäre Chancengleichheit hergestellt. Weil das aber nicht alle tun und die, die es nicht tun, damit finanziell Erfolg haben, versuchen die anderen unter Zähneknirschen und Abwägen der journalistischen Vertretbarkeit diesem Weg zu folgen. Dabei wäre Abgrenzung vielleicht die bessere Maßnahme.
Ich könnte darüber noch stundenlang weiterschreiben, leider hab ich keine Zeit mehr. Ich werde jedenfalls in meinem Volontariat die journalistischen Standards einfordern. Wenn ich dann scheitere, habe ich mir wenigstens nichts vorzuwerfen.
Ich kenne einen großen Verlag, in dem es Hauspolitik geworden ist, einen erfahrenen Redakteur oder eine erfahrene Redakteurin per Abfindung aus dem Unternehmen zu treiben und dafür zwei preiswerte Praktikanten oder Volontäre einzustellen. Und das wird dann als moderne Personalpolitik verkauft. Mal ganz davon zuschweigen, dass man so doch Stellen aufbaut, nicht abbaut. Dass der verantwortliche Personalheini dafür einen Maximal-Bonus erhält (Ziel: mehr Personal bei weniger Kosten), ist klar:
Nicht alle Teilnehmer der Veranstaltung sind unzufrieden und überlastet 😉
Der allgemeine Tenor hat mich jedoch auch überrascht. Aus dem Bekanntenkreis sind mir 800€-brutto-Volontäre ohne jeglichen Ausbildungsansatz und ähnliche Fälle allerdings auch bekannt.
Vor allem, dass unter den Volontären kaum jemand im Alltag mit Web-Publishing zu tun hat…
Das finde ich doch sehr bedenklich.