Du betrachtest gerade An einem Samstagmorgen an der Schwimmbad-Kasse…

An einem Samstagmorgen an der Schwimmbad-Kasse…

In Deutschland, das habe ich heute in der FAZ gelesen, ist die Lust, sich mit dem Thema KI zu beschäftigen, eher mäßig im Vergleich zum Rest Europas. Und ich dachte mir: kommt mir bekannt vor. Das erinnert mich an die Zeiten, als vor rund 20 Jahren klar wurde, dass dieses Internet mehr sein wird als eine bizarre Sammlung von Links. Trotzdem hörte ich damals regelmäßig, dass Menschen am liebsten ihre gewohnten, analogen Medien nutzen würden und das Internet wegen (hier gerne eine Reihe beliebiger Ausreden eurer Wahl einfügen) nichts so groß werden würde, wie eine Reihe nicht ganz ernst zu nehmender Nerds behauptete. Gut, die Geschichte ging dann etwas anders aus, wie wir wissen. Und die Sache mit der KI? Ich höre oft so ein verzweifeltes „Aber KI kann doch den Menschen nicht ersetzen“, was ich in etwa so stichhaltig finde, wie das frühere „Die Menschen wollen etwas Haptisches in der Hand halten“. Um die Geschichte kurz zu machen: Dass die KI Menschen so pauschal ersetzen wird, daran glaube ich natürlich nicht. Wohl aber daran, dass alle, die sich mit KI als Handwerkszeug nicht intensiv beschäftigen, in Probleme kommen. Seien es einzelne Personen oder ganze Organisationen, ganz egal. Von dem her hoffe ich sehr, dass sich Geschichte nicht wiederholt, siehe oben. Schauen wir also erst einmal auf diese Grafik – sie zeigen das Ergebnis einer gemeinsamen Studie von BCG, The Network und Stepstone.
Grafik Technik KI

Klar, sie ist nicht speziell für unsere Branche gemacht. Ich würde dennoch wetten, dass sie die Lage bei uns ziemlich exakt wiedergibt. Eine fatale Mischung aus Skepsis, aus einer „Das wird total überschätzt“-Grundhaltung und der üblichen Bedenkenträgerei: Kostet das Jobs? Und was ist überhaupt mit dem DATENSCHUTZ??

Was ich dagegen deutlich seltener höre: Menschen und Organisationen, die KI als Chance für einen ungeahnten Produktivitätsschub begreifen. Als ein Werkzeug, das unsere Arbeit potenziell viel besser und effektiver machen kann. Die Zahlen zeigen leider auch:  Das Land, dessen Menschen der neuen KI die geringsten Effekte zutrauen und daher die geringste Lust zur Weiterbildung verspüren, ist Deutschland. (Man könnte an dieser Stelle ein paar sehr grundsätzliche Gedanken loswerden, aber das würde jeden Rahmen sprengen). 

Mit dem Thema Innovation haben wir es ja nicht immer so

Ein paar grundsätzliche Sachen muss ich zum Thema „Wir und Innovation“ trotzdem mal loswerden. Ich habe mir inzwischen angewöhnt, dass ich den Tag im Sommer mit Rennrad und Schwimmen beginne. Samstags ist naturgemäß am Freibad etwas mehr los, so auch heute.

Bei unserem Freibad kann man auf drei Arten bezahlen bzw. reinkommen.

Variante 1: Man kauft sich eine Saison- oder Mehrfachkarte und kommt dann einfach durch Auflegen der entsprechenden Karte durch das Drehkreuz (geschätzte Dauer: 20 Sekunden)

Variante 2: ein Kassenautomat. Der hat Bar- und Kartenzahlfunktion und geht wie jeder Automat an einem Bahnhof oder einer Parkgarage auch. Zahlen und Ticket bekommen, dann durchs Drehkreuz (geschätzte Dauer: 1 Minute)

Variante 3: die Kasse. Zahlen mit Bargeld. Dauer heute und an anderen Samstagen: ca. 10 Minuten.

Sie ahnen es, während die linke Spur mit den Automaten und Dauerkarten gähnend leer war, reichte die Schlange an der Kasse bis auf den Parkplatz.

Muss man sich also mal geben: Menschen waren lieber zehnmal so lang, um bloß nicht simple Technik nutzen zu müssen. Sie stehen in der prallen Sonne, anstatt in dieser Zeit schon das erste Mal im Wasser zu sein. Sie verzichten auf einen klaren Vorteil, auf einen echten Nutzen, den sie hätten aus Gründen, über die wir jetzt lange spekulieren können, die aber alles sind, bloß nicht rational. Und nein, in der Schlange standen keineswegs nur etwas betagtere Menschen, die sich an Technik nicht rantrauen. Da standen auch Menschen um die 20 oder 30.

Was das mit KI und Medien zu tun hat? Alles.

Wenn wir schon lange Schlange stehen, um bar bezahlen zu können (in den USA würde man über so ein Phänomen wahlweise lachen oder den Kopf schütteln – oder beides), dann kann man sich vorstellen, warum wir hier reflexartig bei solchen komplexen Dingen wie KI eine im weltweiten Maßstab beachtlich sture und ängstliche Haltung einnehmen.

Geschichte wiederholt sich nicht immer nur als Tragödie und als Farce. Manchmal ist sie in beiden Fällen einfach nur eine Farce. Das Netz, die Digitalisierung in Deutschland, nicht nur, aber eben auch in den Medien: lange Zeit eine Farce. Und das Thema KI? Wenn wir auf die oben gezeigte Tabelle anschauen, muss man befürchten, dass alles so ist wie vor 30 Jahren. Eine Mischung aus Überregulierung, Bedenkenträgerei, Trägheit. Wäre ich jetzt böse und politisch, würde ich schreiben, so wie das ganze Land. Aber glücklicherweise bin ich ja weder böse noch ist das hier ein Politik-Newsletter.

Was also schön wäre: Wenn wir bei diesem Thema das Machen vor das Bedenken stellen könnten. Wenn wir erst mal anschauen, dann regulieren. Wenn wir die Chancen mindestens genauso hoch gewichten wie die vermeintlichen Risiken, weil wir ja ohnehin wissen, dass das eine nicht ohne das andere zu haben ist.

Am Ende hat Technik das Leben (fast) immer besser gemacht

Klingt nach hübscher Sonntagsrede, ich weiß. Und danach, wie es die Amerikaner gerne sagen: Talk is cheap. Aber wenn ich so auf mein inzwischen doch ganz schön langes Berufsleben zurückschaue, dann sind es immer wieder die gleichen Muster gewesen, weswegen ich auch beim Thema KI ziemlich zuversichtlich bin.

Ich habe meine ersten Texte in einer Zeitungsredaktion auf Schreibmaschinen geschrieben, stellenweise war noch der Bleisatz im Einsatz. Meinen ersten Radiobeitrag habe ich wirklich noch auf Tonband und mit Schere und Klebeband geschnitten (der Begriff Schneiden hatte damals wirklich diese Bedeutung). Ich kann mich sogar noch an Metteure erinnern (wenn Sie noch wissen, was das ist, steht Ihr Rentenbescheid unmittelbar bevor).

All das ist im Laufe der Jahrzehnte verschwunden. Natürlich immer begleitet von Sorgen und Bedenken. Nichts davon würde ich zurück haben wollen, bestenfalls mal in einer nostalgischen Anwandlung. Und klar, alles hat seine Schattenseiten; ich bin ja schließlich zwar Technik-Optimist, aber kein naiver Euphoriker. Aber das Meiste hat unser Leben und unsere Arbeit besser und einfacher gemacht.

Es werden, da bin ich mir sicher, die Zeiten kommen, in denen sich eine neue Generation fragen wird, wie man überhaupt ohne die Unterstützung von KI hat arbeiten können. 

Mehr von uns!

HYBRID Eins – die Projekte

Unsere
PODCASTS

D25/Universalcode

Medien und mehr: Die Podcasts von HYBRID Eins beschäftigen sich mit Medien und Digitalisierung. Zudem produzieren wir auch Podcasts für externe Kunden.

Media-ACADEMY

Lunchbreaks und Deep Dives

Deep Dives. Lunchbreaks. E-Learning. HYBRID Eins bietet ein umfangreiches Angebot an Fort- und Weiterbildung. Neue Perspektiven und ein anderer Blick auf die Dinge. Von Profis für Profis.

Universal-code

Die Zukunft der Medien

UNIVERSALCODE  –der Klassiker der Lehrbücher für den digitalen Journalismus. Neu aufgelegt als Community- und Langzeitprojekt. Mit Podcasts, Webseite, Fortbildung und Präsenz-Veranstaltungen.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.